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Die Kinder des Teufels (German Edition)

Die Kinder des Teufels (German Edition)

Titel: Die Kinder des Teufels (German Edition)
Autoren: Roman Rausch
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Volk Gottes hatte begonnen. So stand es in der Offenbarung des Johannes, und wer würde die Schrift nach den Ereignissen der letzten Monate noch ernsthaft bezweifeln wollen? Das Ende war nah, und die letzte Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse stand bevor. Und in diesem Kampf spielte ein Kind, das in der Nacht des Kometen geboren wurde, eine besondere Rolle. Auf keinen Fall durfte Gerede aufkommen von einem unehelichen Kind oder seiner Mutter, deren erstes Kind bereits in einen der aufregendsten Hexenprozesse der letzten Jahre verwickelt war.
    Aber wie sollte die Hebamme zum Schweigen gebracht werden?
    Sie hatte das vermeintliche Teufelsmal gesehen. Was würde geschehen, wenn sie die Nachricht in der Stadt verbreitete? Faltermayer würde die Herausgabe des Kindes fordern. Dann war es vorbei mit dem kurzen Leben ihres geliebten Bruders.
    Jakobus hatte nicht sofort eine Antwort parat gehabt, aber er wollte sich darum kümmern. Offenbar war es ihm gelungen, denn bis heute war niemand vor ihrer Tür aufgetaucht, um das Kind zu sehen – außer Barbara und Otto, Kathis beste Freunde. Und natürlich Volkhardt, ihr allerbester Freund und Lebensretter.
    Kathi war hin- und hergerissen. Sie musste etwas unternehmen, bevor Schlimmes geschah. Wäre nur dieses verflixte Mal nicht da, dann wäre vieles einfacher.
    Ihr Blick fiel auf eine Schale, in der Löffel, Gabel … und ein Messer aufbewahrt wurden. Kathi nahm es zur Hand. Die Klinge war kurz, halbwegs scharf, für das Schneiden von Wurst und Brot völlig ausreichend.
    Ein Gedanke zwang sich ihr auf. Er war so grausam wie lebensrettend. Mit einem schnellen Schnitt könnte sie das Todesmal an Michaels Schenkel entfernen.
    Mit einem Schnitt … ein drei Tage altes Kind?
    Nein, das war ungeheuerlich.
    Aber was würde geschehen, wenn Faltermayer das Mal zu Gesicht bekam, hineindichtete, was in seiner vergifteten Seele vor sich ging? Unvorstellbar. Dann lieber ein schneller Schnitt, der Michael vor dem Scheiterhaufen bewahrte.
    Wie sollte sie es anstellen? Noch nie zuvor hatte sie mit einer Klinge in etwas Lebendiges gestochen. Ihre Mutter hatte so etwas gekonnt. Mit einem Hieb dem Huhn den Kopf abschlagen. Aber sie? Was würde passieren, wenn sie zu tief stach? Das Blut, die Wunde, das Geschrei. Womöglich eine Infektion?
    Sie seufzte. Herr im Himmel, was soll ich tun?
    Sie setzte die Klinge auf die zarte Haut, gleich neben den drei Punkten. Es konnte gelingen. Sie schloss die Augen, atmete tief, sammelte Kraft und die Überzeugung, das Richtige zu tun …
    Da öffnete Michael die Augen. Etwas Kaltes auf seiner warmen Haut raubte ihm den Schlaf. Er begann zu weinen.
    Kathi ließ das Messer fallen und wiegte ihn.
    «Schschsch … Schlaf weiter.»
    Sie begann die vertraute Melodie zu summen. «Du hast nichts zu befürchten. Ich passe auf dich auf.» Die Anspannung wich.
    Was um alles in der Welt war ihr nur in den Sinn gekommen? Ihr eigenes Fleisch und Blut mit einem Messer zu traktieren. Mit dem Fuß stieß sie die Klinge weg.
    Dann flüsterte sie Michael ins Ohr. «Niemals wird dir jemand ein Leid antun. Eher wird er sterben, durch die Hand eines Kindes … und einer Mutter.»
    Das Versprechen tat seine Wirkung. Sie vernahm sein gleichmäßiges, ruhiges Atmen und mit ihm die Beruhigung ihres eigenen Herzschlags. Nie wieder durfte sie die Hand gegen ihn erheben, nie wieder durfte sie ihn in Gefahr bringen.
    Gott hatte ihr Brüderchen so geschaffen, wie es war. Mit einem Zeichen. Niemand, kein Mensch, kein Hexenkommissar und auch kein Bischof, durfte darin etwas Schlechtes sehen.
    Kathi legte sich mit Michael auf die Strohmatte, so wie es Helene auch mit ihr gemacht hatte, wenn sie müde und erschöpft war.
    Mama. Nun lag sie tot, hastig verscharrt, in einem kalten Loch am Rande des Friedhofs.
    Ich denke an dich. Möge dir der Herr im Himmel einen Platz an seiner Seite geben.
    Der Wunsch war gesprochen, der Gedanke klang aus, und Kathi fiel endlich in den wohlverdienten Schlaf.
    Da erwachte neues Leben in Michael. Es schien, als hätte er das Nachlassen der Hand gespürt, die ihn hielt. Er schaute sich um, suchte Blickkontakt zu seiner Mutter.
    Hunger.
    Ein herzerweichendes Geschrei beschloss die kurze Ruhezeit.

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    2
    Gemeinhin hätte es keinen Unterschied gemacht, ob die Kinder die Mehllieferungen für die Würzburger Stifte überfielen oder die für die Bäcker. Aber Wilhelm, Anführer des dreiköpfigen Trupps der Schwarzen Banden – einer
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