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Die Kinder des Teufels (German Edition)

Die Kinder des Teufels (German Edition)

Titel: Die Kinder des Teufels (German Edition)
Autoren: Roman Rausch
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er noch nie gesehen. Ein Stern drohte auf die Erde zu stürzen, sein Schweif strahlte golden und erstreckte sich weit bis hinter die Kolonnaden am nahen Petersplatz. Am Rand dieser hellen Kugel glühte und waberte es rot, als sei Blut ausgetreten.
    Pietros Hals wurde trocken und seine Brust eng. Der Atem stockte ihm. Er musste Schutz suchen, schnell, bevor ihn das Ding zerschmetterte. Er lief davon, stolperte, rappelte sich wieder hoch und hörte nicht, wie ein sichtlich erzürnter Crispin auf den Platz kam.
    «Pietro, komm herein, schnell, bevor dich jemand sieht.»
    Doch Pietro war nicht mehr zu halten. Er verschwand in der Dunkelheit der nächsten Gasse.
    Crispin folgte ihm ein paar Schritte, aber es war vergebens. Der Hasenfuß war über alle Berge.
    «Hochwürden, so seht doch, dort am Himmel …», rief der Wachmann.
    Crispin drehte sich um und sah den Wachmann zum Himmel zeigen.
    Aus der Schwärze der Nacht blickte ein Auge auf ihn herab, bedrohlich nahe und blutumrandet, wie er es noch nie gesehen hatte.
    «Heilige Mutter Maria …» Er schlug das Kreuzzeichen.
    Was um alles in der Welt war das, und wo war es hergekommen?
    Aber noch wichtiger: Was bedeutete es?
    Er lief zurück hinter die schützenden Mauern der Kongregation.
    «Verschließ das Tor!», rief er der Wache zu, eilte die Treppe hinauf in sein Dienstzimmer und öffnete eine Truhe, die verborgen in einer Ecke stand.
    Darin befanden sich Bücher, gebundene und kunstvoll verzierte, wissenschaftliche und ketzerische Traktate, aber auch die Schriftrollen mit Siegelbändchen. Er sah sie durch nach dem einen Dokument, das ihm erklären konnte, was er da eben am Himmel über Rom gesehen hatte. Als er es endlich in den Händen hielt, ging er schnell an den Schreibtisch und öffnete das Siegel. Mit zittrigen Fingern und bebenden Lippen folgte er Buchstabe für Buchstabe der alten Verheißung, die ihm aus dem Wüstensand des Heiligen Landes zugetragen worden war.
    Die aramäischen Schriftzeichen kannte er gut, er wusste sie zu entziffern und zu deuten:
    Und es treten Ströme Belials über alle Heere, wie Feuersglut vom Himmel herab, die verzehren, um zu vernichten … Und sie breiten sich aus in lodernden Flammen, bis dass verendet jeder, der von ihnen trinkt.

    Viele Straßenzüge weiter, im armen und vorwiegend von Ausländern bewohnten Stadtteil Trastevere, unweit der Piazza Santa Maria, drang ein erschöpftes Stöhnen in die Nacht. Eine junge Frau krümmte sich vor Schmerzen auf dem Bett. Um sie herum hingen Kruzifixe und Kräuter von der Decke herab. Der Geruch von Weihrauch lag in der Luft.
    Die Augen der Frau waren geschlossen. Ihre Haut war bleich, im Kerzenschein schimmerte sie grünlich. Arme und Beine waren übersät mit Wunden, aus denen ein übelriechendes Sekret quoll.
    Zu ihrem eigenen Schutz war sie mit Riemen an den Eckpfosten des Bettes festgebunden. Der Fieberwahn rüttelte und zerrte an ihr. Fuß- und Handgelenke bluteten.
    In ihr Stöhnen mischten sich unbekannte und besorgniserregende Laute, gleich einem an- und wieder abschwellenden Gurren, als wollte sie die Vergiftung durch Brust und Kehle aus dem Körper pressen.
    An der Seite der Bedauernswerten saß Bruder Antonius, ein beleibter Jesuit mit roten Wangen. Auf seiner Stirn reihten sich Schweißtropfen auf. Es war warm in diesem Raum, überraschend warm sogar. Das konnte nicht allein von den Kerzen kommen. Eine andere Macht war anwesend.
    Antonius hielt die Augen geschlossen und betete gegen diese vertraute Macht an. Es schien zu gelingen, denn durch das offene Fenster schwappte kühle Nachtluft herein. Sie verschaffte ihm Erleichterung und die Gewissheit, mit dem Gebet die stärkste aller Waffen in den Händen zu halten.
    Doch die Schlacht war noch nicht geschlagen. Er hörte ein Knarzen. Die Riemen gerieten wieder unter Spannung. Antonius erhob sich, schritt vorsichtig ans Bett. Die Frau bäumte sich auf. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie auf das Holzkreuz, das um seinen Hals hing. Sie spuckte darauf, würgte und riss an den Riemen.
    Antonius nahm ein Büschel Kräuter, tauchte es in den bereitstehenden Weihwasserkessel und benetzte damit ihre Stirn. Er schlug das Kreuzzeichen.
    «Im Namen und in der Kraft unseres Herrn Jesus Christus beschwöre ich dich, unreiner Geist …»
    Die Frau stöhnte auf. Mit wirrem Blick sagte sie fremde Worte mit wollüstiger Stimme. Es war, als spräche jemand anderes aus ihr, jemand, der so gar nichts mit diesem mitleiderregenden Wesen und
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