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Die Kinder des Teufels (German Edition)

Die Kinder des Teufels (German Edition)

Titel: Die Kinder des Teufels (German Edition)
Autoren: Roman Rausch
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seinem geschundenen Körper zu tun hatte.
    Antonius ließ sich nicht beirren. «… wer immer du bist, jede satanische Macht, jeder höllische Feind, jede teuflische Legion, Schar und Rotte: Reiß dich los und entferne dich von der Kirche Gottes und von den Seelen, die nach seinem Ebenbild erschaffen und durch sein kostbares Blut erlöst wurden.»
    Die Worte zeigten Wirkung. Die Frau schrie und bettelte, dass ihr die Fesseln gelöst würden. Doch das konnte er nicht tun. Stattdessen ging er zum Fenster. Nicht alle mussten vom Elend dieser Frau erfahren. Er fasste den Griff, verharrte aber mitten in der Bewegung.
    Über dem geheiligten Petersdom sah er einen gewaltigen Stern, der einen langen goldenen Schweif nach sich zog. Sein Körper war eingefasst in einen roten Ring. Noch nie hatte Antonius Ähnliches gesehen … aber wie jeder gute Christenmensch darüber gelesen.
    Hinter ihm bäumte sich die Frau auf, schrie lauter und verstörender als zuvor, um schließlich aufs Bett zu fallen und nicht mehr zu atmen.
    Antonius schlug das Kreuzzeichen. «Herr, erbarme dich dieser armen Seele … und gib mir Kraft, die Prüfungen zu bestehen.»
    Würzburg
    Der Schrei ging Kathi durch Mark und Bein. Ihre Mutter Helene lag rücklings auf dem Tisch und presste, wie es die Hebamme von ihr verlangte. Schreien, pressen, schreien, pressen. Ein zermürbender Kreislauf.
    «Nicht aufhören», bekräftigte Lioba, die Hebamme, «gleich ist es so weit.»
    Kathi bezweifelte das. In den frühen Stunden des vergangenen Tages hatten die Wehen eingesetzt. Seitdem waren über zwanzig Stunden vergangen, ohne dass ihre Mutter von den Qualen erlöst worden war. Wie lange würde sie diese unmenschlichen Schmerzen ertragen?
    Kathi war mit so viel Vorfreude in den Tag gegangen. Bald würde sie nicht mehr alleine sein, bald würde sie stolz ein Schwesterchen oder – wenn ihr Wunsch in Erfüllung ging – ein Brüderchen in den Armen halten.
    Nie wieder alleine. Was für ein Geschenk.
    Lioba war nicht minder besorgt. Kathi sah es ihr an. Allerdings aus anderen Gründen, als sie dachte. Lioba hatte mehr Angst um den Verdienstausfall als um die Gesundheit von Mutter und Kind. Während sie hier vergeblich den Balg dieser Hure auf die Welt zu bringen versuchte, würden ihre Konkurrentinnen in einem anderen Haus mit Golddukaten bezahlt – zum Dank für die erfolgreiche Geburt eines Statthalters. Hier konnte sie froh sein, wenn sie ein paar Kreuzer sah.
    Wieso hatte sie sich nur darauf eingelassen? Jeder wusste, dass dieses Kind keinen anständigen Vater besaß. Der war schon vor Tagen verschwunden. Wahrscheinlich, weil er sich vor der Geburt des Bastards in Sicherheit bringen wollte.
    Die Nachbarn hatten Verdächtiges über dieses Haus berichtet. Von maßloser Völlerei war die Rede, von Lachen und Heiterkeit, sogar von Tanz und Gesang, während die Stadt hungerte, die Glocken zur Totenmesse läuteten und die Hexenweiber nachts zum Schalksberg ausfuhren.
    Welch schändliches, verdorbenes Verhalten.
    «Pressen!», fuhr Lioba Helene an. «Wenn wir das nicht bald zu Ende bringen, wirst du deinen Balg alleine zur Welt bringen müssen.»
    Helene nahm die Drohung ernst. Mit aller Gewalt drückte und presste sie in den Unterleib. Ihr Gesicht wurde puterrot, das Blut schoss in angeschwollenen Adern nach unten in Bauch und Becken, um endlich die Frucht ihrer tragischen Liebe in die Freiheit entlassen zu können.
    Doch von Freiheit konnte nicht die Rede sein.
    Kathi kannte die Gerüchte, die seit Wochen durch die Stadt gingen. Der Teufel gehe in ihrem Haus ein und aus, in Gestalt von Christian Dornbusch, dem ehemaligen Stadtrat, dessen erste Frau sich noch vor der Hexenanklage das Leben genommen hatte. Nun habe er sich mit dieser Hure, deren verschwundener Mann den Bischof bestohlen und deren Tochter die Kinderhexen angeführt hatte, zusammengetan.
    Was konnte man von dieser teuflischen Beziehung schon anderes erwarten? Wohl kaum mehr als einen weiteren Teufel oder eine weitere Hexe, die die Stadt und ihre Bürger vergiftete.
    Die Stimmung war brenzlig. Wie immer hatte das Elend den Bürgern die Sinne vernebelt. Das Hexenverbrennen hatte wieder begonnen, schlimmer und grausamer als je zuvor. Niemand war vor den Hexenkommissaren des Bischofs mehr sicher. Jeder anständige Mensch konnte in Verruf geraten, und tatsächlich, viele Hochwohlgeborene, Ritter, Professoren und Stadträte, Kinder, Alte und Gebrechliche landeten schneller auf dem Scheiterhaufen, als in der
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