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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant
Autoren: Jules Verne
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Klage, wie ein letztes Lebewohl!«
    Auf’s Neue verfiel das arme Kind in Zuckungen und Krämpfe. Man mußte sie in ihre Cabine zurückbringen, und Lady Helena folgte, um ihr ihre Pflege angedeihen zu lassen, während Robert immer wiederholte:
    »Mein Vater! Mein Vater ist dort! Ich weiß es sicher, Mylord!«
    Die Zeugen dieses schmerzlichen Auftrittes begannen einzusehen, daß die beiden Kinder des Kapitäns von einer Hallucination betroffen gewesen waren. Aber wie sollte man ihre so furchtbar erregte Einbildung wieder beruhigen?
    Glenarvan versuchte es. Er ergriff Robert’s Hand und sagte:
    »Du hast Deines Vaters Stimme gehört, liebes Kind?
    – Ja, Mylord, dort mitten im Wasser. Er rief: ›Zu Hilfe! Hierher!‹
    – Und Du hast diese Stimme auch wieder erkannt?
    – Ich habe seine Stimme erkannt; ja, Mylord, ich schwöre es Ihnen! Meine Schwester hat sie gehört; sie erkannte sie auch! Können Sie glauben, daß wir uns Beide geirrt hätten? Mylord! Eilen wir meinem Vater zu Hilfe! Ein Boot! Ein Boot!«
    Glenarvan sah wohl ein, daß er das arme Kind nicht entnüchtern könne. Trotzdem machte er einen letzten Versuch und rief den Mann vom Steuer heran.
    »Hawkins, fragte er ihn, Sie waren am Steuerrade, als Miß Mary von dem sonderbaren Zufall betroffen wurde?
    – Ja, Ew. Herrlichkeit, antwortete Hawkins.
    – Und Sie haben Nichts gesehen oder gehört?
    – Nichts!
    – Da hörst Du es, Robert.
    – Wenn es Hawkins’ Vater gewesen wäre, antwortete der Knabe mit unbezwungener Zuversicht, so würde Hawkins nicht behaupten, daß er Nichts gehört habe. Es war doch mein Vater, Mylord! Mein Vater! Mein Vater …!«
    Robert’s Stimme erstickte das Schluchzen. Jetzt verlor auch er, bleich und verstummend, das Bewußtsein.
    Glenarvan ließ Robert zu Bett bringen, wo das erregte Kind in eine tiefe Betäubung verfiel.
    »Arme Waisen! sagte John Mangles. Gott prüft sie recht hart!
    – Ja, erwiderte Glenarvan, das Uebermaß des Schmerzes hat bei Beiden zugleich die nämliche Sinnestäuschung erregt.
    – Bei Beiden! murmelte da Paganel. Das ist sonderbar. Die strenge Wissenschaft würde das bezweifeln.«
    Dann neigte er sich nach dem Meere hinaus und horchte gespannt, nachdem er Allen bedeutet hatte, zu schweigen.
    Rings war tiefe Stille. Paganel rief mit starker Stimme; Nichts antwortete ihm.
    »Sonderbar bleibt es! wiederholte der Geograph, als er wieder nach seiner Cabine ging. Die innigste Uebereinstimmung der Gedanken und des Schmerzes genügt noch nicht, diese Erscheinung zu erklären.«
    Am anderen Tage, den 8. März, fünf Uhr Früh, waren die Passagiere, Mary und Robert, die nicht zurückzuhalten waren, unter ihnen, schon mit der Morgenröthe auf dem Verdeck versammelt. Jeder wollte das Tags vorher kaum sichtbare Land näher in’s Auge fassen.
    Hastig überliefen die Fernrohre die hervorragendsten Punkte der Insel. In einer Meile Entfernung fuhr die Yacht neben ihren Ufern hin. Das Auge vermochte die geringsten Einzelheiten zu unterscheiden.
    Plötzlich stieß Robert einen Schrei aus. Der Knabe behauptete, zwei Menschen zu sehen, welche Zeichen gebend auf und ab liefen, während ein Dritter eine Flagge schwenkte.
    »Die Flagge Altenglands! rief John Mangles, der auch sein Glas ergriffen hatte.
    – Wahrhaftig! sagte Paganel, sich zu Robert wendend.
    – Mylord, sagte dieser vor Aufregung zitternd, wenn Sie nicht wollen, daß ich nach der Insel schwimme, so lassen Sie ein Boot in’s Meer hinab. Ach, Mylord, ich bitte Sie auf den Knieen, der Erste sein zu dürfen, der seinen Fuß an’s Land setzt!«
    An Bord sprach Keiner ein Wort. Wie? Auf dieser vom siebenunddreißigsten Meridian durchschnittenen Insel waren drei Menschen, Schiffbrüchige und Engländer! Jeder kam auf das Ereigniß von letzter Nacht zurück und dachte an die von Robert und Mary gehörte Stimme! …
    Vielleicht hatten die jungen Leute sich doch nur in einer Richtung getäuscht: eine Stimme hatten sie vielleicht vernommen, aber konnte das die Stimme ihres Vaters sein? Nein, ach, tausendmal nein! Und Jeder, der an die grausame Enttäuschung, die ihrer harrte, dachte, zitterte davor, daß diese Nachricht wohl über ihre Kräfte gehen werde. Aber wie sollte man sie zurückhalten? Lord Glenarvan fühlte nicht den Muth dazu.
    »Zum Boote!« befahl er.
    Binnen einer Minute war das Boot niedergelassen. Die beiden Kinder des Kapitäns, Glenarvan, John Mangles und Paganel drängten sich hinein und schnell stieß es unter dem Ruderschlage sechs
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