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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition)
Autoren: Helmut W. Pesch
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ein Stück näher. Gunhild konnte das nicht mehr erschrecken. Sie mochten noch ein wenig nass werden, aber verlaufen würden sie sich nicht. Außerdem, sagte sich Gunhild, hatten sie eine prima Ausrede für ihre Verspätung. Die Trümmer der Räder oben am Rastplatz sprachen für sich.
    Der Weg wurde immer schmaler. Das Gebüsch des Unterholzes rückte immer näher an den Wegrand. Es war, als würden sie durch einen enger werdenden Schlauch gehen. Immer öfter sahen sie im fahlen Licht der Dämmerung Brombeerbüsche an den Seiten, die einen undurchdringlichen stacheligen Verhau bildeten.
    Siggi hatte das Gefühl, in eine Falle zu laufen. Er packte seinen Knüppel fester, nicht dass es viel geholfen hätte.
    Ihre Gespräche hatten die drei inzwischen völlig eingestellt, und sie machten einfach nur erschöpft einen Schritt nach dem anderen. Es mussten noch mehr als drei Kilometer sein, bis sie ihr Ziel erreichen würden.
    Die Furcht griff wieder mit klammen Fingern nach ihren Herzen. Sie kam mit dem Nebel, der nun auch diesen Hohlweg mit seinem grauen Tuch zudeckte. Er kroch ihnen vom Tal her entgegen, verdichtete sich, bis sie keine zwanzig Meter weit sehen konnten. Zur Rechten und Linken gab es ohnehin nur das dichte Unterholz des Waldes, die Dornenranken und die hohen Bäume. Vor ihnen und hinter ihnen war nur noch eine graue, wallende Masse.
    Ihre Schritte auf dem halb überwucherten Weg, der Donner und ihr Atem waren die einzigen Geräusche, die sie hörten. Alles war irgendwie unwirklich. Die Welt schien sich zu verändern, die Landschaft schien wieder so zu sein wie zu Zeiten Siegfrieds, des Drachentöters, Hagens und Kriemhilds. Der Wald bekam etwas Sagenhaftes, aber nicht die Leichtigkeit und Lebensfreude eines Feenwaldes; vielmehr wirkte er bedrohlich. Der Nebel war wie der Atem des Lindwurms, und die Bäume sahen im Dunst aus wie Riesen, die mit ihren Ästen, langen Armen gleich, nach ihnen greifen wollten. Das Donnergrollen in der Ferne klang wie das Schnauben des Drachen, und die Blitze, die manchmal noch als fahles Licht durch die grauen Schleier drangen, wirkten wie die Flammenstöße aus seinem feurigen Schlund.
    Nur Siggi fühlte sich nicht wie ein Drachentöter. Er wünschte sich nur, diese Wanderung würde ein Ende finden. Er betete, die Lichter des ›Lindenhofs‹ vor sich zu sehen, in eine warme Stube zu kommen und die Eltern anrufen zu können, die ihn dann abholen und diesen Alptraum beenden würden.
    Hagens rechte Hand steckte in seiner Tasche. Sie hielt krampfhaft den Ring umklammert, den er gefunden hatte. Er schien ihm Kraft und Selbstbewusstsein zu geben. Mit ihm kämpfte Hagen den stummen Kampf gegen die Furcht, die wieder aufgekommen war. Wie Siggi umklammerte auch er seinen Knüppel, wenngleich mit der Linken, doch alles half nichts. Die Angst kroch seine Glieder hoch. Dieser Nebel dämpfte alles; und mehrmals ertappte er sich dabei, wie er zusammenzuckte, weil er meinte, vor ihnen wäre jemand, aber dann entpuppte sich diese Erscheinung, wenn sie sich langsam aus dem Nebel schälte, als toter Baum oder ein merkwürdig gewachsenes Gebüsch.
    Dennoch wurde Hagen das Gefühl immer noch nicht los, beobachtet zu werden. Tausend Augen schienen sich in seinen Rücken zu bohren. Aber wenn er sich umwandte, sah er nichts als den Nebel oder das Unterholz an ihrer Seite.
    Auch Gunhild war es unheimlich, und wie die Jungen umklammerte sie mit festen Griff ihren Knüppel. Sicher, der Weg führte zum Waldgasthof, aber all das wirkte bedrohlich auf sie. Und die Bedrohung war nicht greifbar. Ein Stock war da wenig nütze. Der Nebel und das Zwielicht spielten auch ihr manchen Streich, und ein paarmal war sie kurz davor, ihren Stock zu erheben; aber da war nichts, auf das sie hätte einschlagen können.
    Glücklicherweise hatten sie sich nicht verlaufen oder die ausgebauten Wege verlassen, denn sonst würde alles noch viel schlimmer sein. Bei diesem Wetter konnten sie an jeder menschlichen Behausung um ein paar Meter vorbeimarschieren oder die ganze Nacht im Kreis laufen.
    Alle drei hatten Hunger und Durst, aber ihre Angst überlagerte das Verlangen nach Essen und Trinken. Wichtiger war für sie, dass dieser Weg endlich ein Ende fand.
    Sie hatten jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren und folgten einfach nur der Richtung, die ihnen der Weg wies. Noch immer ging es bergab, und keiner von den dreien wusste, wie viel von der Strecke sie schon hinter sich und was noch vor sich hatten. Siggi sah auf
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