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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition)
Autoren: Helmut W. Pesch
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in völligem Schweigen. Sie tauchten aus dem Nichts immer wieder auf und trieben sie kreuz und quer durch den Wald. Die drei Kinder hatten inzwischen völlig die Orientierung verloren und rannten einfach nur noch blindlings drauflos.
    Ihre Verfolger schienen keine Eile zu haben. Sie begnügten sich damit, die Kinder vor sich her zu treiben. Wann sie ihre Beute zur Strecke brachten, schien ihnen egal zu sein.
    Die Kinder hatten keine Ahnung, wie viele es waren. Immer waren es drei oder vier, die ihnen den Weg versperrten oder sie aufzuhalten versuchten. Dabei kamen sie ihnen selten so nahe, dass sie zugreifen konnten; aber das war wohl nur eine Frage der Zeit.
    »Da sind sie wieder!«, schrie Gunhild, und ihre Stimme überschlug sich fast. »Seht! Da!«
    Sie wichen wieder aus. Plötzlich hatten sie wieder einen Weg unter ihren Füßen.
    »Bleibt auf dem Weg! Da sind wir schneller«, keuchte Gunhild.
    »Wenn sie uns lassen«, entgegnete Hagen.
    Sie rannten den Waldweg entlang, versuchten verzweifelt, Abstand zu ihren Verfolgern zu gewinnen, die ihnen aber mühelos folgen konnten oder sie sogar zu überholen vermochten.
    »Da vorne!«, rief Hagen aus. Aus dem Nebel schälten sich vier der grotesken Gestalten in ihren altertümlichen Kleidern. Sie standen einfach nur da. Die Kinder schlugen einen Haken, rannten wieder durch das Unterholz, holten sich blutige Striemen an Dornenranken, rissen sich Arme und Beine auf, aber sie rannten.
    Plötzlich wuchs vor ihnen eine Felswand auf. Sie war zehn Meter hoch, steil, und man konnte daran auf keinen Fall hochklettern. Der graue Fels war wie die Mauer eines Gefängnisses, und Siggi wusste, sie waren die Gefangenen.
    »Wohin jetzt?«, fragte Hagen, nach Luft ringend.
    »Runter. Bergab!«, gab Gunhild knapp zur Antwort. Sie liefen die Wand entlang. Ihr Weg an der Felswand war uneben und voller Steine, denen sie ausweichen mussten.
    Ohne Vorwarnung stießen sie auf eine gewaltige Brombeerhecke, die von der Felswand in den Wald hineinführte. Gunhild, die vorne lief, gelang es gerade noch, anzuhalten.
    »Vorsicht, Brombeeren!«, stieß das Mädchen hervor. Die Kinder standen vor einem Wall aus Dornen und Ranken.
    »Wohin?«, fragte Siggi.
    »Hier entlang. Die Büsche müssen irgendwo aufhören«, wies Gunhild den Weg in den Wald. »Zurück können wir nicht!«
    »Okay«, keuchte Hagen. »Weiter.«
    Sie rannten die Brombeerhecke entlang, wieder in den Wald hinein. Ihnen kam es vor, als nähme dieser grüne, stachelige Wall kein Ende, als würden sie ewig an der lebenden Wand entlanghetzen müssen.
    Endlich erreichten sie das Ende der Hecke; sie wollten drum herumlaufen, um weiter ins Tal zu rennen, aber wie aus dem Nichts schälten sich drei Gestalten aus dem Nebel und versperrten ihnen den Weg nach unten.
    »Die treiben uns in die Enge«, keuchte Gunhild.
    Sie rannten weiter geradeaus, in die einzig mögliche Richtung. Alle drei liefen sie fast nur noch mechanisch. Nicht ihr Bewusstsein steuerte die Bewegung; es war nur der Instinkt, der sie antrieb.
    Der Moment, an dem sie erschöpft zusammenbrechen würden, kam näher und näher …
    »Lauft … lauft«, Gunhild versuchte, die anderen und vor allem sich selbst anzutreiben, um auch die kleinste Chance zu nutzen, diesem Spuk noch zu entkommen. »Lauft … lauft«, kam es im Rhythmus ihrer Schritte.
    Ein Zaun stoppte sie. Dahinter ein Abgrund. Über zwanzig Meter ging es steil hinab. Durch den Nebel und die herrschende Dämmerung war es ihnen unmöglich, zu erkennen, wo es einen Weg, einen Stieg nach unten gab.
    Einen kurzen Moment hielten die Kinder inne. Ihre Lungen brannten. Atemnot und die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage schnürten ihnen die Kehle zu.
    »Was wollen die?«, sagte Siggi keuchend, und gleich darauf musste er husten.
    »Weiß nicht«, sagte Hagen. »No idea!«
    »Auch kein’ Schimmer«, sagte Gunhild knapp.
    Keiner von ihnen konnte viel sprechen. Der Durst, der sie nun mit Macht überfiel, und die knappe Luft, die Erschöpfung und die Müdigkeit ließen keine langen Gespräche zu.
    »Weiter!«, kommandierte Gunhild. »Vielleicht kommen wir nach unten durch!«
    Ohne weitere Worte wollten sie loslaufen, aber von unten kamen gleich drei Gruppen dieser zwergenartigen Geschöpfe lautlos durch den Nebel auf sie zu. Ihnen blieb nur noch der Weg nach oben. Sie warteten nicht ab, um endlich die Gesichter der Wesen erkennen zu können. Keiner von ihnen war neugierig genug, ihre Verfolger dicht genug herankommen zu
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