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Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Tereza Vanek
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Hildegard, die nur stumm zur Decke starrte. Adelind setzte die Teile dieser Erzählung in ihrem Kopf allmählich zusammen. Sie war selbst manchmal Tagträumen nachgehangen, in denen ein strahlender Ritter sie aus den Klostermauern in ein Leben voller Licht und Liebe lockte.
    » Die Nonne wollte das Kloster verlassen, weil sie schwanger war « , erzählte Hildegard das Ende der Sage. » Doch man erlaubte es ihr nicht. Der Ritter starb bei dem Versuch, sie gewaltsam zu befreien. Sie durfte ihr Kind noch gebären, dann wurde das Urteil vollzogen. «
    Adelind wehrte das Grauen mit einem energischen Kopfschütteln ab.
    » Das ist eine uralte Geschichte, und wer weiß, ob auch nur ein Funken von Wahrheit in ihr steckt! Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mutter Mechtildis jemanden bei lebendigem Leibe einmauern lässt « , versuchte sie Hildegard zu beruhigen, die nochmals ihr Handgelenk packte.
    » Trotzdem, ich habe so schreckliche Angst « , flüsterte sie. » Vielleicht sollte ich doch diese Kräuter nehmen und so tun, als wäre nichts geschehen. «
    Adelind fuhr in die Höhe. Eine unbändige Wut erfasste sie, drängte sie, lauter als jemals zuvor zu schreien und gegen die Wände des Zimmers zu treten.
    » Wenn du schweigst, wird sich nichts ändern « , sagte sie nach ein paar beruhigenden Atemzügen. » Er wird dich nicht in Ruhe lassen. «
    Hildegard schloss für einen kurzen Moment die Augen.
    » Mit der Zeit verliert er das Interesse an mir. «
    » Und bis dahin willst du stillhalten und warten? «
    Adelind packte die Schwester an den Schultern und erschrak, wie knochig sie waren. Hildegard aß seit Monaten viel zu wenig, und die Wirkung der Kräuter würde ihrem geschwächten Körper noch weiter zusetzen.
    » Lass mich es regeln « , erklärte sie nach kurzem Überlegen. » Ich rede morgen mit Mutter Mechtildis. Ruhe dich jetzt einfach nur aus. Schwester Brigitta wird dir einen Trank zur Beruhigung geben. «
    Sie strich sanft über Hildegards Gesicht, spürte den fast kindlich hoffnungsvollen Blick der graublauen Augen auf sich ruhen. Obwohl sie nur wenige Minuten älter war, hatte sie stets die Rolle der Vernünftigen, Erfahrenen übernommen. Jetzt klammerte Hildegard sich regelrecht an sie.
    Sie straffte die Schultern, als sie hinausging, um sich das Gefühl zu geben, dass sie der Aufgabe gewachsen sein würde.

3. Kapitel
    D as Gespräch mit der Äbtissin fiel weitaus kürzer aus als erwartet. Mutter Mechtildis lauschte mit ernster, aber unbewegter Miene, dann forderte sie Adelind auf, wieder zu den anderen Schwestern zu gehen. Zwei Wochen vergingen, ohne dass sie von irgendeiner Entscheidung in Kenntnis gesetzt wurde. Der Alltag im Kloster verlief in seiner vertrauten Regelmäßigkeit, nur dass Hildegard weiterhin im Krankenzimmer blieb. Adelind besuchte sie stets nach der Vesper und stellte beruhigt fest, dass ihr Gesicht allmählich mehr Fülle und Farbe bekam. Schwester Brigitta war eine hervorragende Heilerin, doch wenn Adelind sich erkundigte, ob Hildegard bald schon zu den anderen Nonnen zurückkehren konnte, meinte sie nur knapp, dies sei von der Äbtissin nicht erwünscht. Adelind überlegte, ob ihre Schwester das Kind hier im Krankenzimmer heimlich zur Welt bringen sollte. Aber wollte man sie wirklich für die nächsten Monate einsperren? Sie mahnte sich zur Ruhe, denn sie wusste, dass ungeduldiges Nachfragen nur die Gewitterwolken des Missfallens der Äbtissin auf ihr Haupt ziehen würde. So wartete sie von einem Tag zum nächsten, während der Wind um die Mauern des Klosters pfiff und heftige Schneestürme durch die Ritzen der Fensterläden in die Räume bliesen.
    Am Samstag wurden wie üblich nach der Vesper die Füße und Hände der Nonnen gewaschen, eine Aufgabe, die gemäß den alten Regeln der Äbtissin selbst zugefallen wäre, doch Mutter Mechtildis überließ es den Konversschwestern, überprüfte lediglich deren Arbeit. Adelind schlüpfte gehorsam aus ihren wollenen Socken, obwohl es im Kapitelsaal unangenehm frostig war, und ließ ihre Füße in den Bottich sinken. Das warme Wasser tat wohl. Als sämtliche Schwestern gesäubert waren, wartete sie mit knurrendem Magen auf das bevorstehende abendliche Mahl, doch Mutter Mechtildis stellte sich mit wichtiger Miene vor die versammelten Nonnen.
    » Ich habe einige Neuigkeiten zu verkünden. Wie ihr alle wisst, ist unser Kloster noch sehr jung. Es wurde erst vor ungefähr zwanzig Jahren gegründet, und mir wurde die Ehre zuteil, seine zweite
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