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Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Tereza Vanek
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leise, » kann sie wohl wirklich nicht anders. «
    Die Ahnung von etwas Unangenehmem kroch eiskalt durch Adelinds Körper.
    » Was meinst du damit? «
    Brigitta lehnte sich gegen das Gemäuer. Sie gehörte zu den älteren Schwestern und war erst als Witwe ins Kloster gekommen. Adelind musterte ungeduldig das eingefallene, faltige Gesicht, die braunen, von herabhängenden Lidern zur Hälfte verhüllten Augen.
    » Mir sind einige Veränderungen an Hildegards Körper aufgefallen « , begann sie nun sehr, sehr vorsichtig. » Du weißt, ich war einst vermählt und habe Kinder geboren. «
    » Was wurde aus diesen Kindern? « , unterbrach Adelind sogleich. Eine unerklärliche Sehnsucht erwachte in den verbotenen Tiefen ihres Körpers. Es gab so viele Erfahrungen im menschlichen Leben, die ihr als Nonne für immer unbekannt bleiben mussten.
    » Sie starben « , erwiderte Brigitta. » Es war Gottes Wille. Aber sage mir Adelind, bitte ohne jetzt laut zu werden, ist es möglich, dass deine Schwester schwanger ist? «
    Adelinds Kopf schlug kurz gegen das Gemäuer, denn diese Frage war so ungeheuerlich wie eine heftige Ohrfeige. Dann presste sie eine Hand vor den Mund, um ein wildes Kichern zu unterdrücken.
    » Hildegard? « , rief sie nach Luft schnappend. » Das ist doch ein Scherz! Ich meine, sie weiß gar nicht, dass sie einen Körper hat, und wenn es ihr einmal einfällt, dann findet sie ihn abstoßend schmutzig. Wie sollte sie… ich meine, ich war doch ständig an ihrer Seite. «
    » Nein, Adelind, ein Scherz ist es leider nicht « , entgegnete die Infirmaria erschöpft. » Und wie es geschehen ist, vermag ich mir auch nicht zu erklären, aber ich bin mir fast sicher. «
    Adelind musste sich nun an der Mauer abstützen, denn die Welt drehte sich im Kreis.
    » Bitte, du musst mit ihr reden « , fuhr Brigitta fort. » Ich werde Mutter Mechtildis sagen, dass du Hildegard nach der Vesper dringend besuchen solltest. Sie vertraut meinen Fähigkeiten und wird es erlauben. Versuche, aus ihr herauszubekommen, was wirklich geschehen ist. Ich bete zu Gott, dass er Erbarmen mit deiner Schwester haben möge. «
    Dann wandte die Infirmaria sich um und huschte davon. Adelind folgte, denn ihre täglich gleichen Aufgaben waren mit den Jahren zu einem Mechanismus geworden, der ihren Körper dirigierte wie Fäden eine Marionette. Sie sprach die Gebete der Vesper, obwohl sie ihre Umwelt kaum noch wahrzunehmen vermochte, denn im Geiste saß sie bereits bei Hildegard. Es konnte nicht sein, die Infirmaria musste sich irren, doch leider passte es ganz und gar nicht zu der vernünftigen Schwester Brigitta, in phantastischen, aufregenden Spekulationen zu schwelgen. Trotzdem, es gab gewiss eine andere Erklärung für Hildegards Zustand, versuchte Adelind sich zu beruhigen. Bereits auf dem Weg zum Refektorium wurde sie von Mutter Mechtildis aufgefordert, sich mit Brigitta in die Krankenstube zu begeben, da ihre Schwester wieder einmal besondere Behandlung brauchte. Erleichtert lief Adelind los, obwohl dies einen Verzicht aufs abendliche Mahl bedeutete. Sie hätte ohnehin keinen Bissen heruntergebracht.
    » Was ich mir überlegt habe « , teilte sie der Infirmaria unterwegs durch Lippenbewegungen mit, » es gibt doch Geschichten über Schwestern, die alle Anzeichen einer Schwangerschaft aufwiesen, doch in Wahrheit hatten sie völlig keusch gelebt, und Kinder brachten sie schließlich auch keine zur Welt. «
    Brigitta neigte kurz den Kopf, als sie gemeinsam den Hof überquerten.
    » Ich weiß « , sprach sie, denn im Freien wagte sie ihre Stimme zu heben. » Meines Erachtens handelte es sich dabei um arme Frauen, die sich nach Mutterschaft sehnten, obwohl Gott der Herr ihnen ein anderes Los bestimmt hatte. Quält deine Schwester eine solche Sehnsucht? «
    Adelind konnte die Augen nicht vor dem Umstand verschließen, dass Hildegard sich ihres eigenen Körpers viel zu wenig bewusst war, um Verlangen nach einer Leibesfrucht zu verspüren. Ihre Stimmung verdüsterte sich, als sie mit der Infirmaria das kleine Gebäude gleich neben den Wohnräumen für Gäste betrat, wo die Kranken untergebracht waren. Brigitta blieb vor einer hölzernen Tür stehen.
    » Hör zu, Adelind « , flüsterte sie rasch. » Ich kann deiner Schwester Kräuter geben, die ihre Schwangerschaft beenden. Wichtig ist nur, dass sie sich möglichst unauffällig benimmt. Versuche sie zu beruhigen. «
    » Aber wäre es denn nicht eine schwere Sünde, ein ungeborenes Kind zu töten? « ,
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