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Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Tereza Vanek
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letzten Beichte zurück: Hochmut und Ungehorsam gehörten zu ihren bevorzugten Schwächen. Sie fügte noch rasch Neid hinzu, obwohl sie sich dessen nicht schuldig fühlte. Um Völlerei zu nennen, war sie nicht rundlich genug. Gab es nicht weitere Sünden? Habsucht fiel ihr ein, doch wie sollte jemand, der nur zwei Gewänder aus grober Wolle und eine Kukulle besaß, mit diesen geizen? Sie rutschte nervös auf dem blanken Boden. Ihre Knie begannen allmählich zu schmerzen, und sie hätte dieses Schauspiel gern hinter sich gebracht, aber wenn sie nicht genügend Sünden aufzählte, wäre der Priester unzufrieden und würde versuchen, sie in ein persönliches Gespräch zu verwickeln, was ihr gar nicht behagte.
    Vater Oldrich, dem Vorgänger von Severinus, hätte sie bereitwillig erzählt, was ihr wirklich auf der Seele lag. Die Träume über den Priester mit seinen leuchtend blauen Augen, die an Teiche in der Sommersonne erinnerten. Ihr stilles Hadern mit einem Schicksal, das sie dazu verdammte, die bescheidenen Reize ihres jungen Körpers mit groben Stoffen verhüllen zu müssen, um geduldig abzuwarten, bis er verfiel und das Haar ergraute. Manchmal fühlte sie sich wie ein im Käfig gefangener Vogel, der fleißig sang, während vor dem Fenster seine Artgenossen durch die Weite des Himmels segelten und ihm ein Leben zeigten, das er niemals kennenlernen würde.
    Vater Oldrich war wegen seiner Trunksucht in ein kleineres, abgelegenes Kloster geschickt worden, nachdem er bei der Christmette nicht mehr aufrecht hatte stehen können und nur noch unverständlich gelallt hatte. Außerdem machte man ihn für den ständigen Mangel an Messwein verantwortlich, der fast jede Woche neu geliefert werden musste, ganz gleich, wie groß der Vorrat gewesen war. Doch Adelind hatte ihn eben wegen seiner Schwäche gemocht, der Unfähigkeit, sich tadellos in das ihm bestimmte Leben zu fügen. Sie wusste, dass er sie nach ihren Geständnissen nicht verdammt hätte, obwohl natürlich die üblichen Ermahnungen gekommen wären. Sein Nachfolger hingegen wirkte so makellos glatt, dass Adelind fürchtete auszurutschen, wenn er ihr zu nahe kam.
    » Bist du dir sonst keiner Vergehen bewusst? « , erklang auch schon seine Stimme. Adelind schüttelte den Kopf. Ihr Blick war auf die Lippen des Priesters geheftet, die farblos vor Feuchtigkeit glänzten. Aus unerklärlichen Gründen fand sie diesen Anblick abstoßend.
    » Ein junges Mädchen wie du, mit Reizen gesegnet, die Männer auf den Pfad der Sünde führen können. Spürst du nicht manchmal die Versuchung in dir, der schwachen Natur deines Geschlechts zu folgen? « , erklang seine Stimme weich und übertrieben süß. » Hast du niemals einen der Brüder länger als notwendig angesehen, um ihn auf dich aufmerksam zu machen? Willst du nicht spüren, welche Macht dein sündiger Leib dir über ihn verleiht? «
    Adelind fühlte sich ertappt, doch gleichzeitig war sie verwirrt. Sie hätte den blauäugigen Kanoniker nicht einmal bemerkt, wenn er nicht ständig in ihre Richtung gestarrt hätte. Warum sollte sie nun die Schuldige sein?
    Sie stemmte ihre Handflächen in den Boden.
    » Ich bin eine Braut Christi. Die Reize meines Körpers kenne ich nicht. «
    Vater Severinus runzelte die Stirn.
    » Nun, Adelind, sei ehrlich zu mir. Ein junges Mädchen ist sich seines Körpers bewusst, und die Macht zur Verführung hat Satan jeder Frau geschenkt. Du bist nicht so schön wie deine Schwester. Grämt es dich? Wünschst du dir manchmal, über Hildegards Reize zu verfügen, um Männer rascher umgarnen zu können? «
    Er lächelte in einer Art, die Ekel in ihr weckte. Eine Stimme in ihrem Kopf flüsterte, dass ein Priester kein Recht hatte, auf diese Weise mit ihr zu reden. Etwas an diesem Mann stank wie faules Fleisch.
    Sie streckte den Rücken, obwohl der Schmerz in ihren Knien dadurch zunahm, da all ihr Körpergewicht auf ihnen lag. Plötzlich schien ihr Vater Severinus ein Gegner, den sie bekämpfen musste.
    » Ich liebe meine Schwester. Ich empfinde keinerlei Neid. Wenn ich die Kanoniker des Stiftes von Sankt Kunibert treffe, so sind sie nichts weiter als Brüder für mich. Während der gemeinsamen Messe denke ich an unseren himmlischen Vater und seinen Sohn, unseren Erlöser. Mehr habe ich nicht zu sagen. «
    Sie merkte, wie die Augen von Vater Severinus schnell hinter zugeschlagenen Lidern verschwanden, als sei der Priester auf einmal verunsichert.
    » Du neigst in der Tat zu Hochmut, Adelind « , meinte er
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