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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin
Autoren: Iny Lorentz
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laufe inzwischen zum Doktor.«
    »Der wird auch nicht mehr tun, als unverständliche Sprüche murmeln und ihr einen grässlichen Trank verschreiben. Aber hol ihn trotzdem, wenn es deine Mutter beruhigt.« Assumpta hielt nicht viel von den Fähigkeiten des einzigen Arztes, der in Saletto praktizierte, und machte keinen Hehl daraus.
    Als Girolamo Fassi wenig später nach Hause kam, fand er neben seiner Frau und dem Dienerpaar auch den Arzt Alcide Bramontone vor, der eben ein Schwefelstäbchen verbrannte, um die krank machenden Dünste zu vertreiben. Bei Fassis Anblick verzog sich sein langes Pferdegesicht zu einer bedenklichen Miene. »Ihr kommt in einer schlechten Stunde, Meister Girolamo. Euer Weib ist schwer krank.«
    »Das ist sie ja schon seit etlichen Wochen.« Fassis Miene verriet, dass er den Arzt für das lange Leiden seiner Frau und die jetzige Verschlechterung ihres Zustands verantwortlich machte.
    Bramontone ließ sich nicht provozieren, sondern verharrte in seiner überlegenen Pose und erging sich in einer Reihe lateinischer Ausdrücke, die Fassi nur zum Teil verstand. Schließlich holte er ein Glasfläschchen aus einer Tasche seines dunklen Talars und schwenkte es vor Fassis Gesicht. »Diese Arznei habe ich nach einem alten Rezept des weisen Aristoteles gemischt. Sie vertreibt den Tod von jeder Schwelle.« Mit hochmütiger Miene befahl er Assumpta, ihm einen Becher mit Wasser zu bringen, in den er mehrere Tropfen der Flüssigkeit fallen ließ. Er schüttelte den Becher, um die Arznei mit dem Wasser zu vermischen, und reichte ihn der Kranken.
    Maria Fassi trank das Gebräu unter heftigen Hustenanfällen, bis das Glas leer war, und blickte hoffnungsvoll zu dem Arzt auf. »Gott segne Euch, Dottore. Ich glaube, jetzt geht es mir schon viel besser.«
    »Das will ich doch hoffen«, sagte der Arzt salbungsvoll. Er drückte Assumpta die Flasche in die Hand und erklärte ihr, dass sie der Kranken dreimal am Tag zehn Tropfen in Wasser verdünnt geben sollte. Dann wandte er sich an Giulias Vater: »Ich belästige Euch nur ungern, Meister Girolamo. Aber Ihr seid mir bereits das Honorar für meinen letzten Besuch schuldig ge-blieben.«
    Fassi hob abwehrend die Hände. »Ich gebe es Euch, sobald der Graf wieder in Saletto weilt und mir mein Gehalt zukommen lässt.«
    Da Gisiberto Corrabiallis Verwalter sich mit dem Auszahlen der Lohngelder reichlich Zeit ließ und zudem einen Teil der Gelder für sich behielt, war Girolamo Fassis Börse in letzter Zeit schmal geworden. Bramontones verächtlicher Blick traf ihn wie ein Schlag, und er sagte sich, dass seine Frau den Arzt wohl noch brauchen werde. Daher schlurfte er in seine Studienkammer und holte das Leinensäckchen mit seiner eisernen Reserve aus dem Versteck hervor. Während er die Münzen für den Arzt abzählte, hoffte er, dass Maria bald gesunden oder von ihrem Leiden erlöst werden würde.
    Bramontone kontrollierte die Summe gewissenhaft und reichte eine Münze, deren Gewicht ihm als zu gering erschien, zurück. »Gebt mir lieber ein anderes Dreiscudistück.« Zufrieden steckte der Arzt das Geld ein und wandte sich zum Gehen. In der Tür blieb er noch einmal stehen und hob belehrend den Zeigefinger. »Ihr solltet in den nächsten Tagen das Bett Eures Weibes meiden, Fassi. Die bösen Dünste könnten sich sonst während des Schlafes an Euch heften und in Eure Lungen dringen, so dass auch Ihr krank werdet.«
    Giulias Vater wusste, dass in Perugia und Rom Ärzte praktizierten, die andere Ursachen als böse Dünste für Krankheiten verantwortlich machten. Doch in gewisser Weise war Saletto von Rom ebenso weit entfernt wie vom Mond. Nur hohe Herren wie Graf Gisiberto oder der Abt sowie deren auserwählte Begleiter waren in der Lage, in jene Städte zu reisen. Als Gisibertos Vater noch lebte, hatte auch Girolamo Fassi zu den Glücklichen gezählt, die mit ihm nach Rom reisen durften. Doch der neue Graf hielt von seiner Begleitung ebenso wenig wie von seiner Musik.
    Am Abend ging es Maria Fassi erneut schlechter. Assumpta flößte ihr auf Fassis Drängen die Medizin des Arztes ein. Doch sie blieb wirkungslos. Da Fassi sich nicht zu helfen wusste, erklärte die Magd sich schließlich bereit, bei der Kranken zu wachen. Erleichtert zog er sich in sein Kämmerchen zurück und arbeitete im trüben Licht einer Talgfunzel an seiner Melodie. Er sah zuletzt jedoch selbst ein, dass er mit dem Ergebnis kaum Eindruck auf den jungen Grafen machen würde.
    Giulia sorgte sich ebenfalls
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