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Die Kalte Sofie

Die Kalte Sofie

Titel: Die Kalte Sofie
Autoren: Felicitas Gruber
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handgemacht.«
    »Hab mein Geld leider dahoam vergessen …«
    Dennoch fuhr Vronis Hand in die linke Jackentasche – und zog einen verknitterten Fünfeuroschein hervor, der zuvor garantiert nicht drin gewesen war.
    »Mehr hab i ned.«
    »Passt scho.« Die Frau wickelte das Haferl in Zeitungspapier. »Weils heut meine erste Kundin sind.«
    Merci, Gottesmutter, dachte Vroni. Merci! Wenn der Rest heut Abend auch so gut klappt …

5
    Und aus die Maus …
    D er Blick auf die Stadt traf sie wie ein Schlag.
    Wie hatte sie all das vermisst!
    Die ersten Strahlen der Frühlingssonne tauchten die Silhouette Münchens in ein gleißendes Licht. Zwischen den zahllosen Kirchen und Kirchlein ragten selbstbewusst die beiden wuchtigen Türme des Doms empor, die die Konkurrenz mit den wenigen protzigen Hochhäusern nicht zu scheuen brauchten. Als ob sie wüssten, dass in der Münchner Innenstadt immer noch die Frauenkirche den Ton angab und die zulässige Bauhöhe dik tierte. Sogar die sonst so hässliche steinern-graue Anlage des Send linger Heizkraftwerks im Süden leuchtete heute wie einsilbern schimmerndes Zauberschloss verheißungsvoll über der Isar auf und sandte aus ihrem riesigen Kamin ein paar dunstige Rauchwölkchen als zarten Willkommensgruß …
    Magisch.
    Sofie blinzelte glückselig, atmete tief durch und brachte das Fahrrad kurz zum Stehen.
    »Ja, bist jetzt du narrisch, oder was? Als obs keine Augen im Kopf hätt, die Trutschn, die damische!«
    Eine bärbeißige Männerstimme holte Sofie unsanft in die Wirklichkeit zurück. Entschuldigend drehte sie sich zu dem Schnauzbart um, der sich mit verschränkten Armen hinter ihr aufbaute.
    »Einen so schönen Morgen muss man doch einfach genießen. Oder?«
    Säuerlich murmelte der Mann etwas von »sentimentalen Weibsbildern«, als auch ihn einer dieser orangegoldenen Strahlen traf. Blinzelnd warf er einen erstaunten Blick auf das überwältigend schöne Panorama zu seinen Füßen. Verlegen kratzte er sich am Kopf.
    »Geh, rutsch mir doch den Buckel runter!«
    Dann machte er sich, nun vergnügt pfeifend, davon, ohne Sofie eines weiteren Blickes zu würdigen.
    Die sah ihm amüsiert nach. Die Giesinger halt. Meister im Granteln. Stolz. Und inwendig dann doch weicher, als ihnen lieb war.
    Grinsend schwang auch sie sich wieder auf ihr altes Herrenrad.
    Wer behauptete, München sei flach wie ein Brotzeitbrett, war garantiert noch nie das Isarhochufer entlanggegangen. An der Heilig-Kreuz-Kirche in Obergiesing begann nämlich die Traumstrecke eines jeden Radlfahrers – allerdings nur für den, der sich bergab auf den Weg in die Innenstadt machte. Den Giesinger Berg in aller Früh hinunterzusausen, ohne ein einziges Mal in die Pedale steigen zu müssen, war für Sofie schon immer ein Hochgenuss gewesen. Mit etwas Glück konnte man sich bis weit in die Humboldtstraße tragen lassen.
    Punktgenau landete Sofie mit geröteten Wangen und blitzenden Augen vor ihrem altvertrauten Stehbäcker. Nachdem auch ihre Espressomaschine in den Untiefen irgendeines Umzugskartons ruhte – vermutlich in direkter Nachbarschaft zu ihren Hosen –, wollte sie sich noch schnell einen Milchkaffee gönnen wie in alten Zeiten.
    Stirnrunzelnd musterte sie das junge, erschreckend bleiche Mädchen im hochgezogenen dunklen Hoodie, das vor ihr in der Reihe mit verhaltener Stimme einen Latte zum Mitnehmen bestellte.
    Was war denn mit der los?
    Als ob sie dem Leibhaftigen persönlich begegnet wäre!
    »Da schau her, die Sofie Rosenhuth! Dass man dich auch amal wieder sieht!«
    Die familiäre Begrüßung durch die alte Sengmeierin ließ Sofie die seltsame Begegnung schnell vergessen.
    »Bist jetzt wieder bei uns in der Gendarmerie an der Chiemgaustraß, oder was treibst allawei?«
    Mit dem Gedächtnis der alten Frau ging es offensichtlich bergab. Wie oft hatte Sofie noch vor ihrer Abreise nach Berlin versucht, der verrunzelten Bäckerin klarzumachen, dass sie die Uniform einer Streifenpolizistin längst gegen einen Medizinerkittel ausgetauscht hatte. Aber keine Chance. Seit Sofie vor acht Jahren den Einbruch in der Bäckerei aufgeklärt hatte, war sie eine Heldin in Froschgrün – zumindest in der kleinen Welt von Genoveva Sengmeier.
    Auch in anderer Hinsicht schien die Zeit für die alte Dame stehen geblieben zu sein.
    »Und wie gehts dahoam? Was macht die Vroni? Und der Joe?«
    Sofie schluckte. Ob es ihr passte oder nicht, die Begegnung mit Letzterem würde ihr sowieso demnächst ins Haus stehen. Aber heute wollte
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