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Die Kalte Sofie

Die Kalte Sofie

Titel: Die Kalte Sofie
Autoren: Felicitas Gruber
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so schlimm bei mir war, oder? Sonst wärs ja vielleicht nie wieder nach München komma. Und des mit der freien Wohnung im Hinterhaus war doch auch a himmlischer Wink. Ich habs jedenfalls als solchen verstanden – und die Chance gleich genutzt.«
    Allmählich begann Vroni unruhig zu werden. Langes Knien auf hartem Holz ging nicht mehr so gut wie früher, was sie ärgerte, weil sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören wollte.
    »Aber des war erst der Anfang.« Ihre Stimme wurde dünn. »I möcht scho noch erleben dürfen, wie i Sofies Kinderwagen durch die Zugspitzstraß kutschier – aber wie soll das bittschön gehn, wenn der Joe und sie ned wieder zsammkommen? Also, heilige Muttergottes, erhör meine Bitten und hilf mir!«
    Die Sonne war verschwunden. Das Gesicht der Statue lag im Schatten.
    »Is doch ned meinetwegen«, sagte Vroni reuevoll, die die Zeichen sehr wohl zu deuten wusste. »Wenigstens ned nur. Hat das Madl im Leben ned schon genug mitgmacht? Die Sofie, die braucht einen Halt, eine starke Schulter, an die sie sich lehnen kann – bei dem ganzen Stress mit dene Toten wirds mir ja sonst noch ganz narrisch!«
    Sie wandte den Kopf und begann zu lächeln.
    Die ersten Noten eines »Ave Maria« ertönten. Das musste der junge polnische Kaplan sein, der so gern Orgel spielte.
    »Ich weiß scho, dass der Joe damals Mist baut hat«, fuhr sie fort. »Riesenmist sogar! Aber man kann sich doch ändern, oder ned? Auf so ein brünettes Flitscherl würd er heut nimmer reinfallen, des woaß i gwiss. Die Sofie fehlt ihm, das sieht a Blinder am Krückstock. Und die Sofie, die kriegt immer so an stieren Blick, wenns seinen Namen hört – heut noch. Da ist es doch meine heilige Pflicht, die beiden wieder zusammenzubringen.«
    Inzwischen erfüllte der Klang der Orgel das ganze Kirchenschiff.
    »Hilf mir, heilige Muttergottes!«, flüsterte Vroni. »Normalerweis belästige ich dich ja ned mit meine Probleme, sondern bet brav zur heiligen Barbara für die schwierigen Fälle und zum heiligen Pantaleon, der für die Ärzte zuständig is. Aber das heut Abend, das is Chefinnensache. Ich mach mei Brathendl und den Kartoffelsalat, den sie alle zwoa so gern essen – und den Rest leg ich in deine Hände. Abgemacht?«
    Vroni hielt inne, als sie Schritte hörte.
    »Frau Ilmberger«, trompetete eine schrille Frauenstimme. »Und wieder so andächtig im Gebet!«
    Die blonde Lachnerin von der Hausnummer sechs! Nur weil der ihr Mann im ganzen Viertel mit seinem geleasten Audi angab wie König Ludwig höchstpersönlich, bildete sie sich ein, was Besseres zu sein.
    Vroni erhob sich abrupt.
    »Müssens denn scho los?«, fragte die Lachnerin neugierig. »Sonst hätten wir ja später gemeinsam heimgehen können.«
    Den steilen Gebsattelberg vom Stadtviertel Au hinauf, der sie ohnehin immer zum Schnaufen brachte, an der Seite dieser Quadratratschn! Da konnte Vroni sich weiß Gott Schöneres vorstellen.
    »Koa Zeit, koa Zeit«, murmelte sie und schob sich an der Frau vorbei.
    Natürlich zündete sie noch schnell zwei Kerzen an, um ihren Wunsch zu bekräftigen. Doch als sie zahlen wollte, bemerkte sie, dass sie das Portemonnaie wohl daheim auf dem Küchentisch hatte liegen lassen.
    Zum Glück fanden sich in der rechten Jackentasche zwei Euro, die sie erleichtert in den Opferstock warf. Mit einer Kniebeuge in Richtung Altar und einem hastigen Kreuzzeichen verabschiedete Vroni sich nach draußen.
    Noch roch die Morgenluft auf dem Mariahilfplatz wie frisch gewaschen, doch das würde sich rasch ändern, sobald die ersten Steckerlfische brieten und das Aroma von Bier und gebrannten Mandeln dazukam. Ein paar erste Besucher der Maidult waren unterwegs, beileibe noch kein Geschiebe und Gedränge wie am späten Nachmittag, wenn Menschentrauben sich vor den Ständen ballten. Wie gern hätte Vroni sich ausgiebig in der Antiquitätengasse umgeschaut, wo gebrauchte Bücher zu Spottpreisen verkauft wurden, wenn man den richtigen Blick dafür hatte – aber was sollte sie da ohne Geld?
    Außerdem zerrann ihr die Zeit unter den Händen.
    Was hatte sie heute noch alles zu erledigen, bevor es Abend wurde und sie ihr Vorhaben endlich in die Wirklichkeit umsetzen konnte!
    Sie war schon halb am großen Geschirrstand vorbei, als sie plötzlich innehielt. Aus genau so einem blauen Haferl hatte die kleine Sofie früher ihren Kaba getrunken!
    Vroni nahm die bauchige Tasse prüfend in die Hand.
    »Siebenfünfzig«, sagte die stämmige Standlfrau. »Garantiert
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