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Die Jury

Titel: Die Jury
Autoren: John Grisham
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Sekunden später mußte er dann erfahren: Die Jurymitglieder lächelten, weil ein Verbrecher seine gerechte Strafe erhalten hatte. Im Anschluß an jenes Verfahren nahm sich Brigance vor, nicht die Geschworenen zu beobachten, wenn die Urteilsverkündung unmittelbar bevorstand. Doch es gelang ihm nie, den Blick von ihnen fernzuhalten. Manchmal erhoffte er sich ein Zwinkern, vielleicht einen Daumen, der nach oben deutete, aber nach solchen stummen Botschaften hatte er noch immer vergeblich Ausschau gehalten.
    Noose wandte sich an Carl Lee. »Der Angeklagte möge sich erheben.«
    Jake wußte, daß es weitaus schrecklichere Worte gab, aber für einen Strafverteidiger war diese Aufforderung zum Schluß des Prozesses mit entsetzlichen Vorstellungen verbunden. Hailey stand unbeholfen und unsicher auf. Jake schloß die Augen und hielt den Atem an. Seine Hände zitterten, und er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
    Jean Gillespie bekam den Zettel von Noose zurück. »Bitte verlesen Sie das Urteil.«
    Sie entfaltete das Blatt und drehte sich zu Carl Lee um. »Wir, die Jury, befinden Mr. Hailey in allen Angeklagepunkten für nicht schuldig. Als Begründung führen wir Unzurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt an.«
    Carl Lee wirbelte um die eigene Achse und lief zur vordersten Reihe der Sitzbänke. Tonya und die Jungen sprangen auf, rannten ihm entgegen. Von einem Augenblick zum anderen ging es drunter und drüber. Gwen brach in Tränen aus und sank in Lesters Arme. Die Prediger sahen nach oben, streckten die Arme der Decke entgegen und riefen: »Halleluja!« und »Gelobt sei Jesus Christus!« und »Wir danken dem Herrn!«
    Niemand dachte an die Ermahnung des Richters. Noose klopfte halbherzig mit dem Hammer und sagte: »Ruhe im Saal.« Seine Stimme verlor sich im Geschrei, und er schien durchaus bereit zu sein, eine kleine Feier zu erlauben.
    Jake fühlte sich wie betäubt und saß zunächst völlig reglos. Nach einer Weile gelang es ihm, den Kopf zu drehen, in Richtung der Geschworenen zu sehen und sich ein Lächeln abzuringen. Seine Augen wurden feucht, und die Lippen bebten. Er fürchtete, wie ein Narr zu wirken. Mit erzwungener Ruhe nickte er Jean Gillespie zu, die laut weinte, blieb auch weiterhin am Tisch der Verteidigung sitzen und versuchte zu lächeln. Zu etwas anderem war er nicht imstande. Er beobachtete, wie Musgrove und Buckley Akten, Blöcke und wichtig anmutende Unterlagen in ihre Koffer stopften. Hab Mitleid mit ihnen, dachte er.
    Ein Jugendlicher lief an zwei Deputys vorbei durch die Tür und zur Rotunde. »Nicht schuldig! Nicht schuldig!« Er erreichte einen Balkon über dem vorderen Eingang und brüllte aus vollem Hals: »Nicht schuldig! Nicht schuldig!« Der Platz verwandelte sich in ein Tollhaus.
    »Ruhe im Saal«, wiederholte Noose, als draußen zwanzigtausend Kehlen jubelten.
    »Ruhe im Saal!« Er nahm das Durcheinander noch eine Minute lang hin und forderte den Sheriff dann auf, die Ordnung wiederherzustellen. Ozzi erhob die Hände und die Stimme. Glückliche Männer und Frauen lösten sich aus ihren Umarmungen; aus den lauten Stimmen wurde ein zufriedenes Murmeln. Carl Lee ließ seine Kinder los und kehrte zum Tisch der Verteidigung zurück. Er setzte sich neben den Anwalt, legte ihm einen Arm um die Schultern, grinste und weinte.
    Noose sah zum Angeklagten hinüber und lächelte. »Mr. Hailey, eine Jury aus Bürgern dieser County hat das Urteil gesprochen und Sie für nicht schuldig befunden. Kein Sachverständiger hat ausgesagt, daß Sie eine Gefahr darstellen und psychiatrische Hilfe brauchen. Sie sind frei.«
    Der Richter blickte zu den Anwälten. »Wenn es sonst nichts gibt, vertagt sich das Gericht auf den 15. August.«
    Seine Familie und seine Freunde nahmen Carl Lee in Empfang. Sie umarmten ihn, umarmten sich gegenseitig, auch Jake. Alle weinten ohne Scham, lobten den Herrn und dankten Brigance von Herzen.
    Reporter drängten zum Geländer und riefen Jake Fragen zu. Er machte eine abwehrende Geste und meinte, er hätte nichts zu sagen. Für vierzehn Uhr kündigte er eine Pressekonferenz in seinem Büro an.
    Buckley und Musgrove verließen den Saal durch eine Seitentür. Die Geschworenen wurden in der Beratungskammer eingeschlossen und warteten dort auf ihre letzte Busfahrt zum Motel. Barry Acker bat den Sheriff um ein Gespräch, und sie unterhielten sich im Flur. Ozzie hörte aufmerksam zu und versprach, den Obmann nach Hause zu bringen und ihm rund um die Uhr Schutz zu gewähren.
    Die
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