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Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Titel: Die Juliette Society: Roman (German Edition)
Autoren: Sasha Grey
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Gekritzel und Schmierereien zu finden sind. Als ich die Zahlen im Kopf überschlage, bin ich beeindruckt, denn Marcus hat ganz offensichtlich einen Schwanz, der in jeder Hinsicht mit der Größe seines Hirns mithalten kann.
    Das sollte mich eigentlich nicht überraschen, denn schließlich habe ich das schon annähernd hundert Mal gemacht. Bei jeder Vorlesung dieselbe Nummer. Und auf wundersame Weise komme ich jedes Mal zum selben Ergebnis. Als würde ich wieder und wieder den Jackpot knacken. Und jedes Mal schießt derselbe Kitzel durch meinen Körper.
    Wie gesagt: Marcus bemerkt all das gar nicht. Möglicherweise denkt er, ich sei völlig in seine Vorlesung vertieft. Es ist ja nicht so, als würde mich das Thema nicht interessieren oder als würde ich nicht zuhören. Ich hänge an jedem seiner Worte und bin gleichzeitig abgelenkt. Multitasking, würde ich sagen.
    Marcus redet über Kinsey und das Fazit seiner bahnbrechenden Sexstudie, der zufolge Frauen nicht auf dieselbe Weise auf visuelle Reize reagieren wie Männer und manchmal sogar überhaupt nicht. Ich bin da anderer Ansicht. Und wenn Marcus auch nur die leiseste Ahnung hätte, was er mit mir macht, dann wäre er das auch.
    Geschickt verbindet er Kinsey mit Freud – ein weiterer alter Perversling mit seltsamen Ansichten über die weibliche Sexualität – und das bringt mich voll auf Touren.
    Er schreibt »Kastration« ans Whiteboard. Und » Penisneid« . Dann unterstreicht er beide Begriffe zweimal und liest sie um des Effekts willen laut vor. Man könnte meinen, das sei jetzt der Todesstoß für meine akademische Masturbationsfantasie, was?
    Falsch.
    Marcus hat eine Stimme wie brauner Zucker – samtig, dunkel und voll. Ihn reden zu hören, lässt mich schon dahinschmelzen, egal was er sagt. Aber die Worte aus seinem Mund, die mich wirklich scharfmachen, sind die, die am wenigsten sexy sind. Wörter, die eigentlich kantig, kalt und technisch klingen, doch wenn Marcus sie ausspricht, ist das für mich reinster Dirty Talk – auf eine intellektuelle Weise.
    Ganz besonders diese Wörter:
    Abjektion.
    Katharsis.
    Semiotik.
    Sublimation.
    Triangulierung.
    Rhetorik.
    Urtext.
    Und, last but not least, mein absoluter Lieblingsbegriff, das Wort, das alle anderen übertrifft:
    Hegemonie.
    Wenn Marcus spricht, dann mit einer solch ruhigen Autorität, dass er mich ganz in seinen Bann zieht, und ich das Gefühl bekomme, dass ich so ziemlich alles tun würde, was er sagt.
    Wenn er also »Penisneid« sagt, dann höre ich ihn betteln, anordnen und befehlen: »Bitte fick mich«.
    Und auch wenn er mich nicht ansieht, weiß ich, dass er mit mir spricht und nur mit mir.
    Nur mit mir.
    Meine Vernarrtheit in Marcus hat nichts mit Jack zu tun. Ich liebe Jack und nur ihn. Marcus ist bloß ein Zeitvertreib, eine romantische Schwärmerei, die ich mir zusammenfantasiert habe, um mich während der Vorlesungen abzulenken. Eine pädagogische Daddyfantasie, die mich scharf auf den Lehrer macht und die ich, wenn der Gong ertönt, sofort wieder vergessen habe.
    Diesmal dauert es noch nicht einmal bis zum Ende der Stunde.
    Ich betrachte Marcus’ sehnige Arme und seine langen, muskulösen Beine und stelle mir vor, wie es wohl wäre, wenn er sie um meinen Körper schlingen würde, um meinen ganzen Körper, wie eine Spinne eine Fliege festhält, bevor sie sie frisst. Ich will, dass Marcus mich so festhält, will von ihm verschlungen werden. Und ich frage mich, ob Marcus wohl genauso gut fickt, wie er über Psychoanalyse, Semiotik und Autorentheorie referiert.
    Ich hänge gerade dieser Frage nach, als mich die Antwort unerwartet von hinten mit einem verschwörerischen Flüstern trifft.
    »Er ist ein Freak.«
    Ich drehe mich um und schaue direkt in intelligente, klare, fast schon leuchtend grüne Augen. Sehe volle, sinnliche Lippen, die kokett lächeln. So lerne ich Anna kennen. Sie beugt sich aus der Reihe hinter mir vor und flüstert mir direkt vor Marcus’ Augen ins Ohr.
    Natürlich habe ich sie schon mal gesehen. Sie ist schließlich in meinem Kurs. Anna ist blond, zierlich und sinnlich. Das superheiße Mädchen der Schule, das allen den Kopf verdreht. Sie ist diejenige, mit der alle Mädchen befreundet sein wollen, diejenige, mit der alle Jungs ficken wollen.
    Ich wurde katholisch erzogen, und man hat mir beigebracht, dass Sex nichts Begehrenswertes oder Genussvolles ist. Erst als ich mit Jack zusammenkam – und lange nachdem ich meine Jungfräulichkeit verloren habe –, konnte ich
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