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Die Judenbuche

Die Judenbuche

Titel: Die Judenbuche
Autoren: Annette von Droste-Hülshoff
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fällt dir ein? Du wirst dich doch nicht fürchten? Satan von einem
    Jungen, du kneifst mir in den Arm! Laß los, los!" - Er suchte den Knaben abzuschütteln.- "Dein
    Vater war übrigens eine gute Seele; Gott wirds nicht so genau mit ihm nehmen. Ich hatte ihn
    so lieb wie meinen eigenen Bruder." - Friedrich ließ den Arm seines Ohms los; beide legten
    schweigend den übrigen Teil des Waldes zurück, und das Dorf Brede lag vor ihnen mit seinen
    Lehmhütten und den einzelnen bessern Wohnungen von Ziegelsteinen, zu denen auch Simons
    Haus gehörte.
    Am nächsten Abend saß Margreth schon seit einer Stunde mit ihrem Rocken vor der Tür und
    wartete auf ihren Knaben. Es war die erste Nacht, die sie zugebracht hatte, ohne den Atem
    ihres Kindes neben sich zu hören, und Friedrich kam immer noch nicht. Sie war ärgerlich und
    ängstlich und wußte, daß sie beides ohne Grund war. Die Uhr im Turm schlug sieben, das Vieh
    kehrte heim, er war noch immer nicht da, und sie mußte aufstehen, um nach den Kühen zu

    Literatur Online: Kunstguerilla for Freewarez am: 11.10.2000
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    Annette von Droste-Hülshoff (1779-1848)
    Die Judenbuche

    schauen. Als sie wieder in die dunkle Küche trat, stand Friedrich am Herde; er hatte sich vor-
    übergebeugt und wärmte seine Hände an den Kohlen. Der Schein spielte auf seinen Zügen und
    gab ihnen ein widriges Ansehen von Magerkeit und ängstlichem Zucken. Margreth blieb in der
    Tennentür stehen, so seltsam verändert kam ihr das Kind vor.
    "Friedrich, wie geht es dem Ohm?" Der Knabe murmelte einige unverständliche Worte und
    drängte sich dicht an die Feuermauer. - "Friedrich, hast du das Reden verlernt? Junge, tu das
    Maul auf! Du weißt ja doch, daß ich auf dem rechten Ohr nicht gut höre." - Das Kind erhob
    seine Stimme und geriet dermaßen ins Stammeln, daß Margreth es um nichts mehr begriff. -
    "Was sagst du? Ein Gruß von Meister Semmler? Wieder fort? Wohin? Die Kühe sind schon zu
    Hause. Verfluchter Junge, ich kann dich nicht verstehen. Wart, ich muß einmal sehen ob du
    keine Zunge im Munde hast!" - Sie trat heftig einige Schritte vor. Das Kind sah zu ihr auf mit
    dem Jammerblick eines armen, halbwüchsigen Hundes, der Schildwacht stehen lernt, und be-
    gann in der Angst mit den Füßen zu stampfen und den Rücken an der Feuermauer zu reiben.
    Margreth stand still; ihre Blicke wurden ängstlich. Der Knabe erschien ihr wie zusammenge-
    schrumpft, auch seine Kleider waren nicht dieselben, nein, das war ihr Kind nicht! und dennoch
    - . "Friedrich, Friedrich!" rief sie.

    In der Schlafkammer klappte eine Schranktür, und der Gerufene trat hervor, in der einen Hand
    eine sogenannte Holschenvioline, das heißt einen alten Holzschuh, mit drei bis vier zerschab-
    ten Geigensaiten überspannt, in der anderen einen Bogen, ganz des Instrumentes würdig. So
    ging er gerade auf sein verkümmertes Spiegelbild zu, seinerseits mit einer Haltung bewußter
    Würde und Selbständigkeit, die in diesem Augenblicke den Unterschied zwischen beiden sonst
    merkwürdig ähnlichen Knaben stark hervortreten ließ.
    "Da, Johannes!" sagte er und reichte ihm mit einer Gönnermiene das Kunstwerk, "da ist die
    Violine, die ich dir versprochen habe. Mein Spielen ist vorbei, ich muß jetzt Geld verdienen." -
    Johannes warf noch einmal einen scheuen Blick auf Margreth, streckte dann langsam seine
    Hand aus, bis er das Dargebotene fest ergriffen hatte, und brachte es wie verstohlen unter die
    Flügel seines armseligen Jäckchens.
    Margreth stand ganz still und ließ die Kinder gewähren. Ihre Gedanken hatten eine andere,
    sehr ernste Richtung genommen, und sie blickte mit unruhigem Auge von einem auf den ande-
    ren. Der fremde Knabe hatte sich wieder über die Kohlen gebeugt mit einem Ausdruck augen-
    blicklichen Wohlbehagens, der an Albernheit grenzte, während sich in Friedrichs Zügen der
    Wechsel eines offenbar mehr selbstischen als gutmütigen Mitgefühls spielte und sein Auge in
    fast glasartiger Klarheit zum erstemale bestimmt den Ausdruck jenes ungebändigen Ehrgeizes
    und Hanges zum Großtun zeigte, der nachher als so starkes Motiv seinen meisten Handlungen
    hervortrat. Der Ruf seiner Mutter störte ihn aus Gedanken, die ihm ebenso neu als angenehm
    waren. Sie saß wieder am Spinnrade.
    "Friedrich", sagte sie zögernd, "sag einmal -" und schwieg dann. Friedrich sah auf und wandte
    sich, da er nichts weiter vernahm, wieder zu seinem Schützling.
    - "Nein, höre -" und dann leiser: "Was ist das für ein
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