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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt
Autoren: Robert Jordan
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gab ihm einen Anhaltspunkt, von dem aus er nachbohren und spionieren und beeinflussen konnte. Wenn seine Herren, denen er im Augenblick gehorchte, keine Schwäche hatten …
    Er blickte hinter seiner Maske besorgt drein, während er die anderen musterte. Wenigstens gab es hier genügend erkennbare Schwächen. Ihre Nervosität verriet sie, selbst jene, die vernünftig genug waren, ihre Zunge zu hüten. Aber der eine wirkte etwas steif in seiner Haltung, die andere raffte ihren Rock ein wenig ruckartig …
    Ein gutes Viertel aller Anwesenden, so schätzte er, hatte sich, von den schwarzen Masken abgesehen, überhaupt nicht verkleidet. Ihre Kleidung verriet viel über sie. Eine Frau zum Beispiel, die vor einem golddurchwirkten scharlachroten Wandbehang stand, sprach leise mit einer Gestalt – unmöglich zu sagen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte – in grauem Umhang mit Kapuze. Sie hatte offensichtlich diesen Platz ausgewählt, weil die Farben des Wandbehangs ihre Kleidung vorteilhaft zur Geltung brachten. Ausgesprochen dumm, so die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, denn ihr rotes Kleid mit dem tiefen Dekolleté, das entschieden zu viel Haut zeigte, und dem hohen Ansatz, der ihre goldenen Schuhe freigab, bewies, dass sie aus Illian kam und eine reiche Frau war, vielleicht sogar eine Adlige.
    Nicht weit hinter der Illianerin stand eine andere Frau, allein und bewundernswert still. Sie hatte einen Schwanenhals und üppiges schwarzes Haar, das ihr in Wellen bis unter die Taille reichte. Sie stand mit dem Rücken zur Wand und beobachtete alles. Keine Spur von Nervosität, nur ruhige Selbstbeherrschung. Wirklich bewundernswert, doch ihre kupferfarbene Haut und ihr beiges Abendkleid mit dem hohen Kragen – es bedeckte alles bis auf ihre Hände, schmiegte sich aber eng und ein ganz klein wenig durchscheinend an ihren Körper, sodass es alles andeutete, jedoch nichts enthüllte – zeigte deutlich, dass sie dem Hochadel von Arad Doman angehörte. Und falls sich der Mann, der sich Bors nannte, nicht gewaltig täuschte, trug das breite Goldarmband an ihrem linken Arm die Zeichen ihres Hauses. Es war sicherlich ihr eigenes Haus, denn keine adlige Domani würde ihren Stolz so sehr vergessen und das Siegel eines anderen Hauses tragen. Dümmer als dumm.
    Ein Mann in einem himmelblauen Anzug shienarischen Schnitts kam an ihm vorbei und musterte ihn misstrauisch durch die Augenlöcher seiner Maske von Kopf bis Fuß. Die Haltung des Mannes verriet den Soldaten: die gestrafften Schultern, der ständig umherschweifende Blick und die Art, wie seine Hand bereit zu sein schien, nach einem nicht vorhandenen Schwert zu greifen – alles wies darauf hin. Der Shienarer verschwendete wenig Zeit mit dem Mann, der sich Bors nannte; hängende Schultern und ein krummer Rücken enthielten keine Bedrohung.
    Der Mann, der sich Bors nannte, schnaubte, als der Shienarer weiterging, seine rechte Hand war schlagbereit gespannt, während er bereits nach anderen möglichen Gefahren Ausschau hielt. Er kannte sie alle, einschließlich ihres Ranges und ihres Landes. Händler und Soldaten, Gemeine und Adlige. Aus Kandor und Cairhien, Saldaea und Ghealdan. Von allen Nationen und beinahe allen Völkern. Er rümpfte angewidert die Nase. Sogar ein Kesselflicker in leuchtend grünen Kniebundhosen und einem giftgelben Mantel war dabei. Auf die können wir verzichten, wenn einmal der Tag gekommen ist.
    Die Verkleideten waren auch nicht besser – und es gab viele davon –, so sehr sie sich auch in ihre Umhänge hüllten. Er erhaschte einen Blick unter eine dunkle Robe und sah die mit Silber verzierten Stiefel eines Hohen Herrn von Tear, und unter einer anderen lugten Sporen mit einem goldenen Löwenkopf hervor, wie sie nur von Offizieren der königlichen Garde von Andor getragen wurden. Ein schlanker Bursche – schlank wirkte er sogar in seiner bodenlangen schwarzen Robe und einem unauffälligen grauen Umhang, der von einer einfachen Silbernadel zusammengehalten wurde – beobachtete das Gedränge aus dem Schatten seiner tief heruntergezogenen Kapuze. Er hätte von überall her stammen können … wenn nicht zwischen Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand ein sechsstrahliger Stern tätowiert gewesen wäre. Also einer der Meerleute, und ein Blick auf seine linke Hand würde seinen Clan und den Familiennamen verraten. Der Mann, der sich Bors nannte, bemühte sich jedoch gar nicht erst darum.
    Plötzlich verengten sich seine Augen. Er blickte
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