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Die Jaeger

Die Jaeger

Titel: Die Jaeger
Autoren: Johanna Marthens
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»Ich kenne nur Mullendorf, mir fehlen die Vergleiche. Aber wenn du das sagst.«
    »Sehen Sie?«, sagte Leif zu der lächelnden Schönen. »Moona findet es so toll hier, dass sie gar nicht von hier fort will.«
    Das war so nicht ganz wahr, aber ich verbesserte ihn nicht.
    »Ich habe zwei ganz reizende Fremdenzimmer im Haus«, fügte Leif hinzu.
    Die Schöne schien tatsächlich zu überlegen, ob sie einen Stopp in Mullendorf einlegen sollte. Sie sah ihn musternd an.
    »Ein berühmtes Kürbisfest?«, fragte sie.
    »Davon hat schon Theodor Fontane geschwärmt. Oder war es Theodor Storm? Ich verwechsele die beiden immer. Welcher war es, Moona?«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Von Wellers Kürbisfest? Dieses mickrige kleine Hoffest sollte eine langgehegte, berühmte Tradition haben? Das bezweifelte ich. Aber ich hatte ja auch nicht gewusst, dass Leif Fremdenzimmer im Hause vermietete. Er wartete meine Antwort jedenfalls nicht ab, sondern plapperte weiter. Mit zusammengezogenen Augenbrauen beobachtete ich, wie die Schöne sich von Leifs Argumenten tatsächlich überzeugen ließ. Sie wollte eine Nacht hierbleiben. Die See konnte warten.
    Leif blinzelte mir zu und begleitete sie nach oben, wo er ihr das Zimmer zeigen wollte.
    Ich überließ die beiden Turteltäubchen ihrem Glück und lief hinaus in die Nacht. Auch Robert musste unbedingt wissen, was ich geträumt hatte, obwohl ich inzwischen schon viel ruhiger geworden war.
    Robert schlief nicht. Er schrieb. Nachdem er mich ins Wohnzimmer geführt hatte, räumte er die Bücher weg, in die er mit feiner, altmodischer Handschrift geschrieben hatte, damit wir uns an den Tisch setzen konnten. Ich fragte mich, was er da schriftlich festgehalten hatte, und ehe ich mich versah, stellte ich die Frage laut.
    Er sah mich zurückhaltend an und winkte ab. »Nichts Besonderes. Nur ein Tagebuch, völlig langweilig.«
    »Komme ich auch darin vor?« Es war völlig albern, ihn das zu fragen, aber er nickte.
    »Ja.«
    »Was noch? Matzes Morde? Meine ständigen Zusammenbrüche im Wald?«
    »Nein, das nicht.«
    Er war wortkarg, schien fast verlegen, und ich hatte sogar den unsinnigen Eindruck, dass er errötete.
    »Was dann?« Ich wusste, dass ich ihn damit quälte, aber ich wollte es unbedingt wissen.
    Er nahm eines der Büchlein zur Hand und öffnete die letzte Seite. Er sah mich nicht an, als er las. »Das Dorf ist klein, eigentlich viel zu klein, um bleiben zu können, aber ich mag es hier. Es erinnert mich an zu Hause, an die tägliche Arbeit von Vater auf dem Feld und wie Mutter uns Kinder zum Lernen ermahnte. Es ist so lange her, aber ich kann auf einmal wieder diese Sicherheit spüren, die ich damals als Kind gefühlt habe. Doch ich weiß, es ist nur ein Traum. Ich bin hier nicht sicher.«
    Er ließ das Buch sinken und sah mich an. »So etwas schreibe ich. Es ist Unsinn.« Er klappte das Buch zu und legte es zur Seite.
    »Du vermisst sie noch immer?« Blöde Frage. Aber als ich es merkte, war es schon zu spät.
    Er nickte. »Es ist, als wäre nicht nur mein Alter eingefroren, als ich zum Vampir wurde, sondern auch meine Gefühle. Es wirkt alles noch so nah, es ist verrückt. Und seitdem ich hier in Mullendorf bin, kommt alles noch stärker zurück. Das muss der Geruch nach Mist und Ernte und harter Arbeit sein.« Er versuchte ein Lächeln.
    »Hast du sie danach noch einmal gesehen, ich meine, nachdem du zum Vampir geworden warst?«
    »Nein, es war zu gefährlich.«
    »Zu gefährlich? Warum? Hattest du Angst, du könntest entdeckt werden?«
    »Nein, ich war ... ich verkehrte damals in keinen guten Kreisen.«
    »Was meinst du?«
    Er suchte nach Worten. Ich konnte sehen, wie er mit sich rang, ob er es mir überhaupt erzählte. Schließlich öffnete er wieder den Mund.
    »Als mein Schöpfer, der mich zum Vampir machte, während meiner Geburt starb, war ich völlig allein auf der Welt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich verhalten, was ich tun und besser, was ich lassen sollte. Ich war hilflos wie ein Kind. Ich hatte diese Gelüste und wusste nicht mit ihnen umzugehen. Die Menschen durften nichts davon erfahren, so dass ich mich auch gar nicht getraut habe, diesen Gelüsten nachzugehen. Also habe ich mich versteckt und war halb verhungert, als mich ein paar von Meinesgleichen fanden. Sie nahmen mich auf und versorgten mich, zeigten mir, wie man Menschen jagte, ohne dass man erwischt wurde. Ich lernte, ein Vampir zu sein und mich wie einer zu verhalten. Viel zu spät merkte ich,
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