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Die Jaeger

Die Jaeger

Titel: Die Jaeger
Autoren: Johanna Marthens
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vieren zur Seite, um in einer leichten Vertiefung Schutz zu finden.
    Die Gestalt des Mannes näherte sich. Ich konnte jetzt erkennen, dass er nackt war. Dann hatte ich mit meiner Theorie vom entlaufenen Irren vielleicht doch nicht so falsch gelegen. Doch als er noch näher herankam, stutzte ich. Ich kannte ihn. Es war Pfarrer Bernhard.
Was machte der nachts auf den Feldern? Nackt?
    Ich kroch aus meinem Versteck und stellte mich in voller Größe auf die Straße. Er erschrak, als er mich erkannte und es schien, als würde er am liebsten vor mir davonlaufen. Verständlich.
    Doch dann pflückte er ein paar Gräser und hielt sie sich vor seinen empfindlichsten Körperteil, um ihn vor mir zu verbergen.
    »Hallo Moona«, sagte er, als er vor mir stand.
    »Hallo, Herr Pfarrer«, antwortete ich und versuchte dabei, so normal wie möglich zu klingen. Als würden mir jede Nacht unbekleidete Pfarrer begegnen.
    »Schöne Nacht heute«, erwiderte er. »Ich war ein wenig spazieren.«
    »Und Sie haben dabei Ihre Sachen verloren?«
    »Ja, genau.«
    Er klang, als wolle er mir weismachen, dass so etwas jedem sofort und überall passieren könne. Wie ein Handtaschenraub in Rom. Oder ein Sonnenbrand am Strand. Der Klamottenräuber von Mullendorf.
    »Dann gute Nacht noch, Moona«, sagte Pfarrer Bernhard. »Mein Bett ruft.« Er sah mich dabei an, als könne er es wirklich hören. Vielleicht konnte er das auch. Inzwischen wunderte mich gar nichts mehr.
    Ich wollte ihm ebenfalls eine gute Nacht wünschen, doch in diesem Moment verschwamm seine Gestalt vor meinen Augen. Ich wischte mir die Augen, doch sie wurde nicht schärfer.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Pfarrer Bernhard besorgt und ließ fast seine Gräser fallen, um mir zu Hilfe zu eilen, denn ich musste ihn ganz irritiert angeblinzelt haben. Ich sah ihn kaum noch, nur ein völlig flimmriges, unscharfes Bild. Ich blickte irritiert zur Seite, weil ich nach einem Halt suchen wollte, für den Fall, dass ich wieder so einen Anfall bekam und nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Doch der Rest der Welt blieb scharf wie eh und je. »Ja, alles in Ordnung«, sagte ich. Vielleicht musste ich mal zum Augenarzt. »Also dann, gute Nacht. Und ich hoffe, Sie finden den Klamottendieb.«
    »Danke.«
    Dann schlich er davon. Ich wollte gerade weitergehen, als mir eine völlig neue Idee kam. Lag es möglicherweise gar nicht an meinen Augen, dass der Pfarrer so flimmerte? War es möglich, dass er auch nicht zu den Menschen gehörte? Konnte ich ihn als das sehen, was er war? So wie ich Vampire erkennen konnte. Aber was war er dann? Kein Vampir, die sahen anders aus.
    Ich drehte mich in seine Richtung, doch er war schon zu weit weg, als dass ich noch etwas hätte sehen können. Also lief ich weiter.
    Ich begegnete auf dem letzten Teil der Strecke nur noch Kaspar, meinem Hund, der seit seiner Wiedergeburt als Vampir tatsächlich gerne durch die Wiesen und Wälder streifte und Wild jagte. Doch er fraß die Tiere nicht, sondern trank nur ihr Blut. Die Jäger hatten erst gestern offiziell von einer seltsamen Krankheit gesprochen, die die Tiere heimgesucht hätte, da sie solch einen Kadaver gefunden hatten. Nur ich wusste, dass es Kaspar war. Er wedelte freudig mit dem Schwanz, als er mich sah, doch seine Begeisterung währte nicht lange. Kaum hatte er mich begrüßt, rannte er schon wieder davon, einer Spur hinterher. Am Tag schlief er jetzt gern in der dunkelsten Ecke unter der Treppe, so dass meine Mutter sich schon gewundert hatte. Denn Kaspar hielt sich auch, ganz gegen seine frühere Gewohnheit, nicht mehr am liebsten in der Küche auf. Aber ich erfand eine Magenverstimmung, und sie glaubte mir. Wenn sie genügend Alkohol getrunken hatte, glaubte sie mir alles.
    Die Tankstelle war rund um die Uhr geöffnet. Leif hatte schon vor Jahren einen Nachtschalter eingerichtet und einen Summer anbringen lassen, so dass Kunden ihn aus dem Schlaf holen konnten. Das passierte glücklicherweise nicht allzu oft.
    Diesen Summer drückte ich, als ich ankam. Es dauerte eine geschlagene Viertelstunde, bis Leif im Schlafanzug schlaftrunken und übelgelaunt den Nachtschalter öffnete.
    »Wenn ich ein Kunde wäre, wäre ich schon mit meinem Benzin über alle Berge«, sagte ich, bevor er auch nur ein Wort herausbringen konnte.
    »Was willst du?«, knurrte Leif. »Das ist doch kein Test für meinen Nachtservice, oder?«
    Er musste sehr tief geschlafen haben, wenn er mich so etwas ernsthaft fragte.
    »Nein, natürlich nicht.
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