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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition)
Autoren: Andrew Fukuda
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sie segeln Richtung Osten davon.
    »Wir müssen irgendwie zurück zum Zug«, sage ich und sehe mich nach einem Fluchtweg um.
    Das Kreischen der Schatter kommt näher. Sie galoppieren über die Wiesen und hangeln sich an der Festungsmauer hoch.
    Sissy dreht sich zu mir um, bedächtig und ohne Eile. Irgendetwas in ihrem Blick lässt alles langsamer werden, und zum ersten Mal seit meiner Rückkehr in die Mission sehen wir uns wirklich an. Ihr Augen schimmern feucht. Ein trauriges, tapferes Lächeln zerrt an ihren Mundwinkeln.
    »Ich denke, wir wissen beide, dass dies das Ende ist, Gene.«
    Schatter – blass und nackt wie neugeborene Ratten – erklimmen die Mauer. Wir sind umzingelt. Die Jagd, die vor so vielen Tagen begonnen hat, ist beinahe zu Ende.
    Sissy zieht zwei Dolche aus ihrem Gürtel und gibt mir einen. »Kämpfen bis zum Ende?«
    Ich nehme den Dolch. »Was sonst?«
    Hinter uns splittert Glas. Es ist Krugmans Büro. Nackte Schatter kleben an den Wänden und strömen durch das zerbrochene Fenster wie ranzige Milch in den Abfluss. Bei ihrem Gebrüll kann ich Krugman nicht schreien hören, aber das ist auch nicht nötig.
    Das Licht in seinem Büro geht plötzlich aus. Sie haben die Glühbirnen zerbrochen und alles in noch tieferes Schwarz getaucht. Der Strom ist jedoch nicht unterbrochen. Ich sehe Funken in dem dunklen Büro.
    In meinem Kopf blitzt eine Idee auf.
    Mein Blick zuckt zur Spitze des Eckturms. Dort endet das lange Kabel, das den Büroturm mit dem Hauptgenerator im Dorf verbindet und sich hoch über den Wiesen und Horden heranstürmender Schatter spannt.
    Mein Herz pocht wild, als ich Sissys Hand fasse und sie hinter mir herziehe. Für Erklärungen bleibt keine Zeit.
    Hinter uns heulen die Schatter auf, wie entflammt von unserem Fluchtversuch.
    Wir rennen los, unsere Augäpfel hüpfen wild in den Höhlen, sodass der Anblick blasser Leiber, die zu beiden Seiten der Festungsmauer auftauchen wie Wellen, die über die Krone schwappen, gnädigerweise verwischt wird. Die Schatter klammern sich mit suchenden Blicken an die Brüstung und nehmen unsere Verfolgung auf, als wir an ihnen vorbeisausen.
    »Deinen Messergürtel!«, rufe ich Sissy zu.
    Sie gibt mir den Gürtel, als wir das Stromkabel erreichen. Ich werfe ein Ende über das Kabel, ziehe den Gürtel zu einer Schlaufe fest und zerre kräftig daran. Er wird halten. Er muss.
    Sissy steht mir gegenüber, schlingt die Arme um meine Schultern, die Beine um meine Hüften. Ich spüre ihren Kopf an meinem; sie nickt, die Lippen an meine Stirn gepresst.
    Das Ende des Gürtels um meine Handgelenke geschlungen und mit Sissy, die sich an meine Schultern klammert, springe ich in die Nacht. Als der Gürtel sich unter unserem Körpergewicht spannt, reißt es meine Arme fast aus den Gelenken. Wir wippen ein-, zweimal auf und ab, Sissys Griff löst sich, doch ihre Beine umklammern weiter fest meine Hüften, und sie kann ihre Arme wieder um meine Schultern legen.
    Wir gleiten an dem Kabel hinunter, schneller als es mit Leder auf Metall möglich erscheint. Ein Funkenregen schießt aus dem Gürtel, und erst als ich aufblicke, erkenne ich, warum: Zwischen dem Gurt und dem Kabel klemmt ein Dolch, Metall gleitet über Metall, und wir fliegen funkenstiebend übers Land.
    Tief unter uns bleiben Schatter, die auf die Festungsmauer zulaufen, wie angewurzelt stehen und starren wütend zu uns hoch, während wir sicher über ihre ausgestreckten Arme schweben.
    Dann hält Sissy, die über meine Schulter hinter mich blickt, hörbar die Luft an. Ich drehe mich um. Ein Schatterverfolgt uns auf dem Kabel. Mit perfekter Balance und erstaunlich schnell läuft er auf allen vieren über das Hochseil, so sicheren Fußes wie ein Hengst, der über breite, ebene Weiden galoppiert.
    Der Schatter ist grässlich entstellt. Womöglich hat er die Dunkelheit der Höhle in dem verzweifelten Versuch, einen Vorsprung vor den Hunderten seiner Artgenossen zu erlangen, frühzeitig verlassen und war dem letzten Licht der Dämmerung ausgesetzt. Warum auch immer, er sieht aus wie eine unbehaarte Katze auf einem Schwebebalken. Das halbe Gesicht ist geschmolzen und zu einer schrägen Miene des Irrsinns erstarrt. Er klappt die Kiefer so weit auf, dass sie eigentlich ausrenken müssten, und schreit. Dann reißt er den Mund noch weiter auf, bis die Haut an den Wangen einreißt wie Fäden von geschmolzenem Käse, und entblößt seine Fangzähne.
    Die seelenlose Kreatur ohne Wangen und mit gebleckten Zähnen
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