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Die Intrige

Titel: Die Intrige
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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nicht durchsichtig gewesen. Jonas war sicher, dass er hinter den beiden den Verlauf der Mauersteine ganz genau erkennen konnte.
    Trotzdem sah er sie in allen Einzelheiten: die dunkelblauen Augen, die schulterlangen blonden Locken, die merkwürdigen dunklen Kleider, die aus einer Kombination von Obergewand und Strumpfhose bestanden und Jonas an Theaterstücke von Shakespeare erinnerten. Die Jungen hatten die Köpfe zusammengesteckt und flüsterten eifrig miteinander. Allerdings konnte Jonas nicht hören, was sie sagten. Es war, als schaue er sich einen Stummfilm an. Und genau wie die Schauspieler in einem Film bemerkten die beiden ihr Publikum nicht, die vier jungen Leute, die sie von der anderen Seite des Zimmers aus anstarrten.
    »Hallo?«, sagte Alex probehalber. Keiner der Jungen rührte sich. »Hallo?«, sagte Alex etwas lauter.
    Immer noch nichts.
    »Vielleicht ist das ein Effekt der Zeitreise«, vermutete Alex. »Vielleicht sehen die Menschen aus dieser Epoche für uns so aus, weil wir aus der Zukunft kommen.Und vielleicht können auch sie uns weder sehen noch hören. Möglicherweise schützt sich die Zeit so vor all den Paradoxen.«
    »Aber
wir
haben HK, Gary und Hodge doch gesehen, als sie in unsere Zeit kamen«, wandte Katherine ein. »Sie sahen ganz normal aus.«
    »Ja, stimmt«, sagte Alex und zuckte die Achseln. Er starrte auf die unheimlichen Gestalten auf dem Bett und fügte dickköpfig hinzu: »Die beiden sind keine Geister. Geister gibt es nicht!«
    Für Jonas sahen sie definitivwie Geister aus.
    Doch er konnte verstehen, dass Katherines Bemerkung Alex und auch Chip aus der Fassung gebracht hatte. Jonas stieß sie leicht an.
    »Du hast dich getäuscht, Katherine«, sagte er. »Das sind nicht die Geister von Chip und Alex. Sie gehören … irgendwelchen anderen Jungs. Oder so«, endete er lahm.
    »Das sind Mädchen!«, behauptete Chip mit sich überschlagender Stimme. »Seht ihr denn die Locken nicht?«
    »Mädchen würden Kleider tragen«, widersprach Katherine verächtlich. »Seid ihr blind? Lasst die Kleidung und die Locken mal außer Acht und seht euch die Gesichter an. Das sind Chip und Alex!«
    Jonas kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich. Denk dir die Mädchenfrisur und die komischen Klamotten weg
...
Einen kurzen Moment lang meinteer die Ähnlichkeit zu sehen. Dann war sie wieder verschwunden.
    »Sie sind jünger als wir«, stellte Alex fest. »Vielleicht neun und elf? Oder zehn und zwölf?«
    »Vergesst nicht, dass die Entführer euer Alter verändert haben«, sagte Katherine. »Sie haben euch wieder in Babys verwandelt. Ihr müsst also nicht unbedingt genauso alt sein wie eure, äh, Geister.«
    Das letzte Wort sprach sie nur zaghaft aus.
    Plötzlich spürte Jonas, wie jemand seine linke Hand packte und ihm den Taser wegnahm. Bis er verstand, was vor sich ging, und den Kopf wandte, zielte Chip mit dem Elektroschocker bereits auf die geisterhaften Jungen auf dem Bett. Er drückte auf den Abzug.
    »Das bin ich nicht!«, sagte er. »Niemals!«
    Die Drähte schossen heraus, fielen jedoch, ohne Schaden anzurichten, durch den Geister-Chip auf das Bett. Die Geister-Jungen fuhren einfach fort, mit ernster, konzentrierter Miene zu flüstern.
    »Was ist passiert?«, wollte HK wissen, dessen angespannte Stimme aus dem Definator drang, den Jonas immer noch in der rechten Hand hielt. »Was war das?«
    Alex kicherte.
    »Chip hat gerade versucht, mit dem Taser seinen eigenen, äh, Geist lahmzulegen«, murmelte er. »War aber nicht sehr erfolgreich.«
    Ehe Jonas sich versah, hatte sich der Taser in Luftaufgelöst. Selbst die Drähte auf dem Bett waren verschwunden. Verblüfft starrte Chip auf seine Hand.
    »He!«, rief er. »Wie haben Sie das gemacht?«
    »In der Vergangenheit werden keine Zukunftstechnologien eingesetzt«, sagte HK und Jonas konnte ihm anhören, dass er dabei fast mit den Zähnen knirschte. »Das ist eine der Grundregeln des Zeitreisens.«
    »Aber das haben
Sie
doch auch gerade getan«, sagte Alex. »Sie haben etwas verschwinden lassen. Ich glaube nicht, dass man das im fünfzehnten Jahrhundert konnte.«
    »Ich musste es tun«, sagte HK, der immer noch klang, als beiße er die Zähne zusammen. »Chip hat gerade bewiesen, dass man euch im fünfzehnten Jahrhundert keinen Taser anvertrauen kann.«
    Chip spreizte die Finger, als könne er immer noch nicht glauben, dass die Waffe weg war.
    »Moment«, sagte Jonas. »Wenn Sie die Dinge einfach so mir nichts, dir nichts aus der Zeit holen
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