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Die Intrige

Titel: Die Intrige
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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Verschwinden auffiel. HK, der dagegen zu sein schien, dass man mit der Geschichte spielte, war überzeugt, dass aufgrund dieser Eingriffe die Zeit selbst kurz vor dem Zusammenbruch stand. Er und seine Kohorten hatten es geschafft, die Auswirkungen dieser »Rettungsaktionen«, den Welleneffekt, wie sie es nannten, aufzuhalten, und sich auf die Suche nach den verschollenen Kindern gemacht. Es war zu einem Kampf gekommen, in dessen Verlauf sechsunddreißig aus der Geschichte gestohlene Kinder am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts notgelandet waren.
    Chip war eines dieser Kinder.
    Und Jonas ebenfalls.
    Auch wenn sie in den letzten dreizehn Jahren von ihrer wahren Identität keine Ahnung gehabt hatten. Sie waren von ganz normalen amerikanischen Familien adoptiert worden und in ganz normalen amerikanischen Vorstädten aufgewachsen. Sie hatten Videospiele und Fußball gespielt, Pokémonkarten getauscht und zu Hause vor der Garage Korbwürfe geübt. Sie konnten ja nicht ahnen, dass ihr ganz normales Leben nur deshalb normal war, weil sie sich in Beschädigter Zeit befanden, während die Zeit selbst die verfeindeten Gruppen der Zeitreisenden ferngehalten hatte, um die Beschädigung zu heilen.
    Doch dann hatte die Beschädigte Zeit geendet. Und HK und seine Feinde, Gary und Hodge, waren sofort zur Stelle gewesen, begierig darauf, ihr begonnenes Werk zu vollenden.
    Und so kam es, liebe Mädchen und Jungen, dass ich mich in völliger Dunkelheit im fünfzehnten Jahrhundert wiederfand, dachte Jonas, dessen Verstand inzwischen ein wenig besser funktionierte. Wahrscheinlich hatte er sich das »liebe Mädchen und Jungen« von jemandem im Fernsehen abgeschaut.
    Von jemandem, der erst in fünfhundert Jahren zur Welt kommen würde.
    Eine Welle der Übelkeit überrollte Jonas. Ihm war nicht klar, ob es an der Erkenntnis lag, dass er Jahrhunderte von dort entfernt war, wo er sein sollte, oder daran, dass seine Sinne nun wieder besser funktionierten und er gerade gemerkt hatte, dass es im fünfzehnten Jahrhundert stank. Um ihn herum roch es nach Schimmel, Fäulnis und – war das verrottendes Fleisch? Seine Nase lieferte ihm die erste gesicherte Erkenntnis über das fünfzehnte Jahrhundert: Egal, was sich in dieser Epoche noch abspielen mochte, moderne Toiletten mit Wasserspülung gab es jedenfalls noch nicht.
    »Wo ist der Definator?«, wollte Chip wissen. Er tastete über den Boden. »Sie müssen mir die Wahrheit sagen, HK. Wer bin ich?«
    »Tja, das ist eine ziemlich heikle Angelegenheit«,erwiderte HK ausweichend. »Eigentlich sollten wir uns überhaupt nicht unterhalten, bis ihr sicher seid, dass euch niemand hören kann.«
    Seine Stimme verebbte zu einem Flüstern, das kaum noch zu Jonas durchdrang. Warum hatte er solche Schwierigkeiten? Er hatte den Definator in der Hand gehalten, also müsste er Chip auch sagen können, wo er war. Aber seine Hände fühlten sich dermaßen taub an, dass er nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob er noch irgendetwas festhielt oder nicht.
    Chip dagegen schien nicht das geringste Problem zu haben, mit den Händen herumzufahren und sämtliche Steine auf dem Boden abzutasten. Er stieß gegen Jonas und dann gegen Katherine, wie es schien. Jonas hörte sie leise stöhnen, als gehe es ihr ebenso schlecht wie ihm.
    »Helfen Sie mir, HK. Sagen Sie mir jetzt auf der Stelle, wer ich bin«, tobte Chip, »oder ich schreie so laut, dass die Leute mich noch im übernächsten Jahrhundert hören können!«
    »Nein, nicht«, flehte HK. »Ich sage es dir. Aber sei leise. Du bist … du bist …«
    »Ja?«, sagte Chip und ließ drohend die Stimme anschwellen.
    »Es ist schwer, das genaue Datum zu bestimmen, weil ihr drei den Definator mitgenommen habt, und daraus könnten sich ein paar Abweichungen ergeben.Aber wenn wir davon ausgehen, wann ihr eigentlich hättet landen sollen, können wir mit einiger Sicherheit behaupten, dass du … äh …«
    »Sagen Sie es!«
    »Ich glaube, du bist im Moment der König von England.«

Zwei
    »Der König?«, wiederholte Chip. »Der
König
von England?«
    »Pst«, beschwichtigte ihn HK. »Sei leise, Chip. Ich meine, Eduard. Das ist dein richtiger Name – Eduard der Fünfte. Genau genommen lautete der Titel damals König von England und Frankreich. Das traf die Sache zwar nicht ganz genau, aber –«
    »Ich bin ein König!«, staunte Chip.
    Es war viel zu dunkel, um sein Gesicht zu sehen, und Jonas’ Augen funktionierten ohnehin nicht richtig. Aber schon Chips Stimme verriet ihm, dass
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