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Die Insel Des Vorigen Tages

Die Insel Des Vorigen Tages

Titel: Die Insel Des Vorigen Tages
Autoren: Umberto Eco
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Gemeinte verschönern, daß die Hervorhebungen es verlebendigen, die geheimnisvollen Verknüpfungen es verdichten, die Betrachtungen es vertiefen, die Emphasen es erheben, die Anspielungen es verschleiern und die Verwandlungen es verfeinern.
    Ich stelle mir vor, daß es zu ‘jener Zeit auf jenen Meeren mehr Schiffe gab, die Schiffbruch erlitten, als solche, die heil nach Hause zurückkehrten; doch wer die Erfahrung zum erstenmal machte, dem mußte sie eine Quelle wiederkehrender Alpträume werden, und die Gewohnheit des schönen Ausschmückens mußte sie malerisch wie das Jüngste Gericht erscheinen lassen.
    Seit dem Abend zuvor war die Luft gleichsam an Katarrh erkrankt, und es schien, als ob es dem tränenschweren Auge des Himmels schon nicht mehr gelänge, den Anblick der Wellenfläche auszuhalten.
    Die Malerhand der Natur hatte die Horizontlinie grau gefärbt und umriß in der Ferne unbestimmte Provinzen.
    Roberto, dessen Eingeweide die drohende Eruption schon voraussehen, wirft sich auf sein Lager, das nun von einer zyklopischen Amme gewiegt wird, sinkt in Schlaf zwischen wirren Träumen, die er zu träumen träumt in dem Traum, über den er spricht, und kosmische Epenfülle des Staunens empfängt er im Schoße - cosmopea di stuport accoglie in grembo . Er erwacht vom Bacchanal des Donners und vom Geschrei der Matrosen, dann brechen Wasserfluten über sein Bett herein, Doktor Byrd kommt gelaufen und schreit, er solle an Deck gehen und sich gut festhalten an irgend etwas, sei’s auch nur ein wenig fester als er selbst.
    Auf Deck Verwirrung, Schreie, Leiber emporgehoben wie von der Hand Gottes und ins Meer geschleudert. Eine Welle klammert sich Roberto ans Besansegel (wenn ich ihn recht verstehe), dann zerreißt das Segel, von Blitzen getroffen, die Gaffel beginnt den gebogenen Lauf der Sterne zu imitieren, und Roberto wird unter den Hauptmast geschleudert. Dort wirft ihm ein gutherziger Matrose, der sich an den Mast gebunden hat und ihm daher nicht Platz machen kann, ein Seil zu und schreit, er solle sich an eine Tür binden, die es am Achterkastell aus den Angeln gehoben und an den Mast geschleudert hat, und es war ein Glück für Roberto, daß diese Tür dann mit ihm als Parasiten zur Bordwand gerutscht ist, denn inzwischen ist der Mast in der Mitte zerbrochen, und eine herabfallende Rahe hat den Kopf des Helfers zertrümmert.
    Durch einen Spalt in der Bordwand sieht Roberto - oder träumt er gesehen zu haben - Schwärme von Schatten, gehäuft zu Blitzen, die zuckend durch die Wogengefilde irren: cicladi dombre accumulate a lampi che scorrono errando per i campi ondosi , was mir ein bißchen zuviel an Nachgiebigkeit gegenüber dem Zeitgeschmack des preziösen Zitates scheint. Aber sei’s drum, die Amarilli neigt sich auf der Seite des zum Schiffbruch bereiten Schiffbrüchigen, und Roberto gleitet auf seinem Türblatt in einen Abgrund, über dem er, während er in ihn hinabsinkt, den Ozean wahrnimmt, der frei sich erhebt, um Steilhänge vorzutäuschen, im Delirium des Schauens sieht er gefallene Pyramiden aufragen und findet sich wieder als Wasserkomet, dahinrasend auf der Umlaufbahn jenes Wirbels von flüssigen Himmeln.
    Jede Woge glitzert in schimmernder Rastlosigkeit, hier windet eine Dampfsäule sich empor, dort gurgelt ein Strudel und reißt eine Quelle auf. Bündel ekstatischer Meteore bilden den Gegengesang zur aufrührerischen und in Donnergetöse zerborstenen Luft, der Himmel ist ein Flimmern von fernsten Lichtern im Wechsel mit tiefster Finsternis, und Roberto schreibt, er habe schäumende Alpen gesehen in schlüpfrigen Furchen, die den Schaum zu Garben verwandelt hätten, und der Ceres Früchte seien in Blüte gestanden zwischen funkelnden Saphiren, und von Zeit zu Zeit seien rotglühende Opale hervorgebrochen, als habe die tellurische Tochter Proserpina das Kommando übernommen und ihre fruchttragende Mutter vertrieben.
    Und zwischen röhrenden wilden Tieren, die ihn umkreisen, während silberne Salze aufbrodeln in erregter Wallung, hört er mit einem Mal auf, das Schauspiel zu bewundern, um ein fühlloser Mitspieler darin zu werden, denn er fällt in Ohnmacht und weiß nichts mehr von sich. Erst später wird er träumend vermuten, es habe sein Brett, sei’s dank einer mitleidigen Verfügung des Himmels, sei’s durch den Instinkt des Schwimmkörpers, sich jener wilden Gigue angepaßt und sei, wie hinabgesunken, so auch naturgemäß wieder aufgestiegen, um sich allmählich in einer Sarabande zu
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