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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
Autoren: Umberto Eco
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der Verwandlung in einen Stein zu beginnen. Nackt und bar nun sogar des Seils, das seine Reise nicht mehr begrenzen durfte, war er ins Meer gestiegen.
    Er hatte die Füße gegen die Planken gestemmt und sich abgestoßen, war an der Daphne entlanggeschwommen bis zum Heck und hatte sich dann für immer von ihr entfernt, hin zu einer der beiden Glückseligkeiten, die ihn gewiss erwarteten.
     
    Bevor das Schicksal und das Meer die Wette für ihn entschieden hatten, wünschte ich mir, dass er, während er ab und zu innehielt, um zu verschnaufen, den Blick von der Daphne, die er zum Abschied grüßte, zur Insel hinübergleiten ließ.
    Dort, über der Linie, die von den Wipfeln der Bäume gezogen wurde, müsste er mit nunmehr überscharfen Augen gesehen haben, wie sich – gleich einem Speer, der auf die Sonne zielte – die Flammenfarbene Taube erhob.

 
    40
    KOLOPHON
     
    D as war's. Und was dann mit Roberto geschah, weiß ich nicht und wird man, glaube ich, auch nie erfahren.
    Wie gewinnt man einen Roman aus einer Geschichte, mag sie auch noch so romanhaft sein, wenn man ihr Ende nicht kennt – oder besser gesagt, ihren wahren Anfang?
    Es sei denn, die zu erzählende Geschichte ist nicht die von Roberto, sondern die seiner Papiere – obwohl man auch hier von Mutmaßungen ausgehen muss.
    Wenn die Papiere (die übrigens fragmentarisch sind), aus denen ich eine Erzählung gewonnen habe (oder eine Reihe von Erzählungen, die sich überschneiden oder überlagern), zu uns gelangt sind, so kann das nur heißen, dass die Daphne nicht völlig verbrannt war, das scheint mir evident. Wer weiß, vielleicht hatte das Feuer die Masten nur angesengt, um dann an jenem windstillen Tag zu erlöschen. Oder wer wollte ausschließen, dass ein paar Stunden später ein tropischer Regen niederprasselte, der das glimmende Feuer löschte ...
    Wie lange mag die Daphne in jener Bucht gelegen haben, bis jemand sie fand und die Schriften Robertos entdeckte? Ich erwäge zwei Hypothesen, beide reichlich phantastisch.
     
    Wie bereits angedeutet, hatte wenige Monate vor dem hier berichteten Geschehen, genauer gesagt im Februar 1643, der holländische Seefahrer Abel Tasman, im August 1642 aus Batavia aufgebrochen, erst jenes Van-Diemens-Land entdeckt, das später Tasmanien heißen sollte, war dann in Sichtweite an Neuseeland vorbeigefahren und zu den Tonga-Inseln gelangt (die bereits 1615 von van Schouten und Le Maire entdeckt und von ihnen Inseln der Kokosnuss und der Verräter genannt worden waren) und hatte anschließend nordwestlich von ihnen eine Gruppe kleiner, von Sandstrand gesäumterInseln gefunden, die er auf 17,19 Grad südlicher Breite und 201,35 Grad Länge registrierte. Wir wollen nicht über die Längenangabe diskutieren, aber jene Inseln, die er Prins Willems Eijlanden nannte, dürften, wenn meine Hypothesen stimmen, nicht allzu weit von der Insel unserer Geschichte entfernt gewesen sein.
    Tasman beendet seine Reise, schreibt er, im Juni, also bevor die Daphne in jene Gegend gelangt sein konnte. Aber es ist nicht gesagt, dass seine Logbücher die Wahrheit sagen (außerdem existiert das Original nicht mehr). 1 Versuchen wir uns also vorzustellen, dass er durch eine jener sprunghaften Kursänderungen, an denen seine Reise so reich ist, noch einmal in jene Gegend zurückgekehrt war, sagen wir im September jenes Jahres, und dort die Daphne gefunden hatte. Es war unmöglich, sie wieder flottzumachen, ohne Masten und Segel, wie sie inzwischen sein musste. Er hatte sie durchsucht, um herauszufinden, woher sie kam, und hatte Robertos Papiere gefunden.
    Sowenig Italienisch er konnte, hatte er doch begriffen, dass darin vom Problem der Längengrade die Rede war, womit diese Papiere automatisch zu einem streng geheimen Dokument avancierten, das er der Ostindischen Kompanie zu übergeben hatte. Deswegen schweigt er in seinem Logbuch über die ganze Sache, vielleicht fälscht er sogar die Daten, um jede Spur seines Abenteuers zu löschen, und Robertos Papiere landen in irgendeinem Geheimarchiv. Man beachte, dass Tasman im folgenden Jahr erneut auf die Reise ging, und Gott weiß, ob er wirklich zu dem angegebenen Ziel gefahren war. 2
    Stellen wir uns nun die niederländischen Geographen vor, wie sie in jenen Papieren blätterten. Wir wissen, es gab darin nichts Interessantes zu finden, außer vielleicht Doktor Byrds Hundemethode, bei der ich aber wetten würde, dass diverse Spione schon auf anderen Wegen von ihr erfahren hatten. Erwähnt wird zwar
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