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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven
Autoren: Sarah Lark
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es durchaus amüsant, seine Nachbarn ein bisschen zu schockieren, indem er mit den Konventionen brach. Doug Fortnam bevorzugte Breeches statt Kniehosen, besaß lediglich eine Perücke für Auftritte vor Gericht und verzichtete darauf, sein volles blondes Haar weiß zu pudern.
    »Die Erfahrung zeigt«, so pflegte er zu dozieren, »dass dasHaar des Menschen auf die Dauer ergraut, wenn man lange genug lebt – ich beabsichtige, das abzuwarten. Und auch die Totenblässe wird sich irgendwann von selbst einstellen. Ich denke gar nicht daran, dem vorzugreifen, indem ich mein Gesicht weiß anmale.«
    Nora war ganz seiner Meinung, aber an diesem Tag war es ihr einfach wichtiger, einen guten Eindruck zu machen, als für ihre modischen Überzeugungen einzustehen. Dieses Fest war bedeutend für Deirdre – auch wenn das Mädchen selbst das nicht einsah und Doug nur in eingeschränktem Maße. Doch sie, Nora, beobachtete scharf, und ihr war nicht entgangen, dass Deirdre Gefahr lief, von der besseren Gesellschaft Jamaikas isoliert zu werden. Im Laufe des letzten Jahres hatte es viele Bälle und Empfänge in Kingston und auf den umliegenden Plantagen gegeben, anlässlich deren junge Mädchen debütierten. Dieser Brauch hatte seine Wurzeln in England, wo die jungen Damen des Adels in ihrem achtzehnten Lebensjahr traditionell der Königin vorgestellt wurden. Ab da galten sie als heiratsfähig und konnten von passenden jungen Herren umworben werden. In den Kolonien hatte man das für die eigenen, besonderen Verhältnisse modifiziert – wer eine Tochter im passenden Alter hatte, gab einen Ball, zu dem auch weitläufige Bekannte mit ihren Söhnen und Töchtern geladen wurden. So trafen sich junge Leute, die sonst auf weit auseinanderliegenden Plantagen lebten, und lernten einander kennen. Der Sinn des Ganzen war natürlich die Eheanbahnung.
    Nora hatte denn auch seit etwa einem Jahr mit entsprechenden Einladungen für ihre Tochter gerechnet, aber tatsächlich blieben sie aus. Die Vertreter der besseren Gesellschaft von Kingston sagten es den Fortnams zwar nicht ins Gesicht und hätten sicher auch die Absicht geleugnet, Deirdre aufgrund ihrer zweifelhaften Abstammung auszugrenzen. Bei Einladungen pflegte man sie allerdings schon als Kind immer mal wieder zu»vergessen«, und bei den Debütantinnenbällen wurde das offensichtlich. Deirdre Fortnam war erkennbar unerwünscht.
    Nora hatte sich das eine Weile angesehen und dann beschlossen, selbst aktiv zu werden. Deirdres achtzehnter Geburtstag sollte der Anlass für einen der glanzvollsten Bälle sein, die je in der Umgebung von Kingston und Spanish Town stattgefunden hatten. Und niemand, der an diesem Abend nach Cascarilla Gardens kam, konnte sich mehr davor drücken, Deirdre auf die Einladungsliste seiner eigenen Veranstaltungen zu setzen.
    Doug, der immer noch bereit war, an einen Zufall zu glauben, gab zwar zu bedenken, dass die Leute ihren Empfang nur meiden müssten, um Deirdre weiter ignorieren zu können. Doch diese Befürchtung hegte Nora nicht. Cascarilla Gardens war zu groß und zu hochgeschätzt, Doug als Advokat und Experte für Internationales Handelsrecht zu bekannt und zu begehrt, als dass man hier einen Affront riskierte. Die geladenen Gäste würden kommen und sich dabei hoffentlich auch selbst davon überzeugen, was für ein schönes und wohlerzogenes Mädchen Deirdre Fortnam war! Wenn sich die junge Dame denn einmal zu zeigen geruhte … und wenn sie sich keine weiteren Eskapaden wie unbegleitete Ausritte mit Nachbarjungen leistete.
    Deirdre hastete in den ersten Stock des Hauses und war froh, dabei wenigstens niemandem auf dem Weg in den Ballsaal zu begegnen. Die Gästezimmer waren längst belegt, die ersten Besucher aus Kingston und den Blue Mountains waren schon im Laufe des Vormittags eingetroffen. Die Fortnams sahen das als selbstverständlich an – man wohnte zu weit voneinander entfernt für Kurzbesuche, und wenn der Haushalt gut organisiert war, bedeutete das volle Haus auch kaum Mehrarbeit für die Gastgeber. An Personal mangelte es auf keiner der Plantagen – und die Hausangestellten auf Cascarilla Gardens waren besonders gut geschult. Zumindest die jüngeren von ihnen waren aufder Plantage geboren und schon früh unter die gestrenge Obhut der Köchin Adwea, von allen liebevoll Mama Adwe genannt, genommen worden. Gemeinsam mit Nora, einer in allen gesellschaftlichen Angelegenheiten gut geschulten Kaufmannstochter, und dem ersten Hausmädchen Carrie
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