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Die Insel der roten Erde Roman

Titel: Die Insel der roten Erde Roman
Autoren: Elizabeth Haran
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es auch schaffen.«
    Amelia war beleidigt, dass er sie praktisch mit einem Sack Getreide verglich. »Wir sind aber keine Vorräte, die man bündeln, zusammenschnüren und hochwinden kann. Und Bergziegen sind wir auch keine.«
    Die Augen des Leuchtturmwärters wurden schmal, und Amelia hatte den Eindruck, am liebsten hätte er sie ins Meer zurückgeworfen, wie einen zu kleinen Fisch. Sie verschränkte die Arme über der Brust und starrte ihn trotzig an. Es war ihr egal, ob er sie unfreundlich fand oder nicht. Nach allem, was sie durchgemacht hatte, wollte sie mit Glacéhandschuhen angefasst werden. Sie fand, das stand ihr zu.
    Sarah ließ den Kopf hängen. Auch wenn Amelia sie mit ihrem Gejammer nervte, musste sie ihr diesmal Recht geben: Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie diese Steilwand erklimmen sollten.
    Gabriel wandte sich ihr zu. »Ich werde jetzt hinaufsteigen. Wenn ich oben bin, lasse ich ein Seil mit einem Geschirr daran herunter. Befestigen Sie es an ihr.« Er deutete mit dem Kinn auf Amelia. »Ich werde sie hochziehen. Sobald sie oben ist, lasse ich das Seil für Sie herunter.«
    Sarah starrte ihn nur ausdruckslos an.
    »Haben Sie verstanden, was ich gerade gesagt habe?«, fragte er.
    Sie nickte langsam. Ihr Verstand war so betäubt wie ihr Körper.
    »Es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben!« Amelia stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.
    »Sie können die Stufen hinaufklettern, oder Sie können hier unten bleiben. Das sind die einzigen Möglichkeiten. Also, wofür entscheiden Sie sich?«
    Amelia brach in Tränen aus. »Mir ist kalt, ich wäre Ihretwegen fast ertrunken, und mir tun sämtliche Knochen weh. Hören Sie auf, in diesem unverschämten Tonfall mit mir zu reden!«
    »Haben Sie schon vergessen, dass ich Ihnen gerade das Leben gerettet habe?«
    »Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, mich wie einen … einen Sack Kartoffeln zu behandeln!«
    »Hören Sie, Lady, ich war die ganze Nacht auf, weil ich mich um das Leuchtfeuer kümmern musste, und ich habe gesehen, wie Ihr Schiff gesunken ist. Ich habe weder die Zeit noch die Kraft, mit Ihnen zu diskutieren. Tun Sie, was ich Ihnen sage, und halten Sie den Mund.« Er war ziemlich laut geworden, und man hörte die Anspannung in seiner Stimme.
    Amelia brachte vor Empörung keinen Ton mehr hervor.
    Ohne ein weiteres Wort wandte der Leuchtturmwärter sich ab und machte sich an den Aufstieg über die steilen Felsstufen. Die beiden Frauen hielten den Atem an, während sie ihm nachschauten. Zweimal rutschte er auf den glitschigen Stufen aus, konnte sich zum Glück aber gerade noch festhalten.
    Kurze Zeit später war er oben angelangt und verschwand aus dem Blickfeld. Sarah und Amelia standen im schneidend kalten Wind und warteten. Minuten vergingen. Dann wurde ein an einem Seil befestigtes Geschirr heruntergelassen. Es schwang im Wind hin und her, sodass es eine Weile dauerte, bis Sarah es mit ihren eiskalten Händen ergreifen konnte. Sie zog an den Riemen und versuchte herauszufinden, wie man das Geschirr anlegte. Schließlich glaubte sie es zu wissen. Sie legte Amelia das Geschirr so um, dass die Gurte über ihre Schultern und um ihre Taille führten. Ein breiter Lederstreifen diente als Sitz.
    »Das kann ich nicht!« Amelia blickte ängstlich die Steilwand hinauf. »Warum gehen Sie nicht zuerst?«
    Sarah funkelte sie zornig an. »Weil er gesagt hat, dass Sie als Erste hinaufsollen. Hätte er mich ausgesucht, würde ich keine Sekunde zögern, und es wäre mir egal, ob er Sie hier unten zurückließe oder nicht. Aber er scheint ein kluger Mann zu sein. Er weiß, dass Sie keine Ahnung hätten, wie man das Geschirr anlegt, sodass Sie allein hier unten blieben, würde er mich als Erste raufziehen.«
    Amelia setzte zu einer gereizten Antwort an, doch bevor sie etwas sagen konnte, rief der Leuchtturmwärter: »Fertig?«
    »Fertig!«, rief Sarah zu ihm hinauf.
    Mit einem Ruck setzte das Geschirr sich in Bewegung, und Amelia schrie erschrocken auf. Krampfhaft hielt sie sich am Seil fest, während sie langsam an der Felswand entlang in die Höhe glitt. Als sie ein Stück vom Boden entfernt war, wurde sie vom Wind erfasst und hin- und hergedreht. Sie musste das Seil loslassen, damit sie sich mit beiden Händen am Kliff abstützen konnte.
    Je höher sie kam, desto heftiger warf der Wind sie hin und her. Zweimal schleuderte er sie mit solcher Wucht gegen die Felswand, dass sie mit den Knien dagegen prallte und vor Schmerz aufschrie. Sarah wollte
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