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Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder
Autoren: Ransom Riggs
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aber er hatte viel Blut verloren und war schwach. Enoch reichte ihm seinen Mantel, und Fiona bot ihm ihre Wollmütze an.
    »Wir bringen dich zum Arzt im Dorf«, sagte Emma.
    »Unsinn«, erwiderte Millard. »Der Mann hat noch nie einen unsichtbaren Patienten gehabt und wüsste gar nicht, was er tun soll. Entweder behandelt er die falsche Stelle, oder er läuft schreiend fort.«
    »Es macht nichts, wenn er schreiend fortläuft«, sagte Emma. »Sobald sich die Zeitschleife zurückgesetzt hat, erinnert er sich an nichts mehr.«
    »Sieh dich doch um: Die Schleife hätte sich schon vor einer Stunde zurückstellen müssen.«
    Millard hatte recht – am Himmel war es ruhig, der Luftangriff war vorbei, aber die Rauchschwaden der Bomben mischten sich immer noch mit den Wolken.
    »Das ist nicht gut«, sagte Enoch, und alle wurden still.
    »Jedenfalls ist alles, was ich brauche, im Haus«, sagte Millard. »Gebt mir einfach ein bisschen Laudanum und reinigt die Wunde mit Alkohol. Es ist nur eine Fleischwunde. In drei Tagen bin ich wieder wie neu.«
    »Aber es blutet immer noch«, sagte Bronwyn und zeigte auf die roten Tropfen, die neben Millard in den Sand fielen.
    »Dann binde diesen verdammten Druckverband fester!«
    Das tat sie, und Millard keuchte so heftig, dass alle zusammenzuckten. Dann wurde er ohnmächtig.
    »Was ist mit ihm?«, fragte Claire.
    »Er ist nur kurz weggetreten«, antwortete Enoch. »Er ist nicht so fit, wie er zu sein vorgibt.«
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Frag Miss Peregrine!«, schlug Olive vor.
    »Gute Idee. Leg sie hin, damit sie sich zurückverwandeln kann«, sagte Enoch. »Solange sie ein Vogel ist, wird sie uns nichts sagen können.«
    Bronwyn setzte den Vogel auf eine trockene Stelle im Sand. Wir traten alle einen Schritt zurück und warteten. Miss Peregrine hüpfte ein paarmal, schlug mit dem heilen Flügel, drehte den gefiederten Kopf hin und her und blinzelte uns an – aber das war’s. Sie blieb ein Vogel.
    »Vielleicht braucht sie ein bisschen Privatsphäre«, sagte Emma. »Wir sollten ihr den Rücken zukehren.«
    Das taten wir und bildeten einen Ring um den Vogel. »Jetzt ist es sicher, Miss P«, sagte Olive. »Niemand guckt!«
    Nach einer Minute riskierte Hugh einen Blick und sagte: »Nichts, immer noch ein Vogel.«
    »Vielleicht ist sie zu erschöpft und ausgekühlt«, bemerkte Claire. Diese Vermutung leuchtete uns ein, und wir entschieden, zum Haus zurückzugehen, Millard zu versorgen und zu hoffen, dass sich der Zustand der Headmistress und der Zeitschleife bald wieder normalisierten.

[home]
    11. Kapitel
    W ie ein Trupp kriegsmüder Veteranen schleppten wir uns mit hängenden Köpfen den steilen Pfad hinauf. Bronwyn trug Millard, und Miss Peregrine hockte in Fionas nestähnlichem Haarknoten. Die Landschaft war verwüstet von rauchenden Kratern. Überall lagen große Erdklumpen herum, als hätte ein riesiger Hund nach einem vergrabenen Knochen gesucht. Niemand wagte laut die Frage zu stellen, was zu Hause auf uns warten würde.
    Noch bevor sich der Wald lichtete, erhielten wir eine Antwort. Enoch stieß mit dem Fuß gegen etwas und beugte sich hinunter, um im hellen Mondlicht erkennen zu können, was es war. Er hob ein Stück verkohlten Ziegelstein auf.
    Panik brach aus. Die Kinder rannten den Pfad entlang. Als wir die Wiese erreicht hatten, fingen die jüngeren laut an zu weinen. Alles war voller Rauch. Die Bombe war nicht wie sonst auf Adams Fingerspitze zum Halten gekommen, sondern war explodiert. Der hintere Teil des Hauses war nur noch eine qualmende Ruine. Kleine Feuer brannten in dem verkohlten Gerippe zweier Räume. An der Stelle, an der Adam gewesen war, gähnte ein Krater, der so tief war, dass ein erwachsener Mensch aufrecht darin stehen konnte. Jetzt gehörte nicht mehr viel dazu, sich vorzustellen, was dieser Ort eines Tages sein würde: die traurige und entweihte Ruine, die ich in den ersten Tagen unseres Aufenthalts vorgefunden hatte. Das Geisterhaus.
    Miss Peregrine hüpfte von Fionas Haar hinunter und lief aufgeregt krächzend durch das verbrannte Gras.
    »Headmistress, was ist passiert?«, fragte Olive. »Warum hat sich die Zeitschleife nicht zurückgestellt?«
    Miss Peregrine konnte als Antwort nur krächzen. Sie wirkte genauso verwirrt und verängstigt wie wir alle.
    »Bitte verwandeln Sie sich zurück!«, bettelte Claire und kniete sich vor sie.
    Miss Peregrine schlug mit dem Flügel, hüpfte und schien sich anzustrengen, konnte ihre Gestalt jedoch nicht
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