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Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Titel: Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen
Autoren: Harald Haarmann
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Srednij-Stog-Kultur weiterentwickelt, erlebt das Indoeuropäische seine Auflösung. Im 4. Jahrtausend wird hier die Technologie des Wagens entwickelt und verbreitet sich schnell.
    Die Wandlungen, die sich in der materiellen Hinterlassenschaft jener Kulturen spiegeln, deuten auf interne kulturelle Entwicklungen, aber nicht auf Einflüsse fremder Bevölkerungsgruppen oder Immigrationen von außerhalb in die Wohngebiete der Indoeuropäer. Der Übergang vom Stadium der Jäger und Sammler zum Viehnomadismus erfolgte in der kaspisch-pontischen Steppe direkt und ohne Zwischenstadium einer Berührung mit der Technologie des Pflanzenanbaus und der damit assoziierten Viehhaltung.
    Die Entstehung des Viehnomadismus als Wirtschaftsform in Osteuropa ist in etwa zeitgleich (d.h. um 7000 v. Chr.) mit dem Transfer von Technologien des Pflanzenanbaus von Kleinasien nach Südosteuropa. Aber diese beiden Prozesse verliefen unabhängig voneinander. Wir haben es also in Europa mit zwei Varianten des Übergangs vom Jäger-und-Sammler-Dasein zu tun, mit zwei unterschiedlichen «neolithischen Revolutionen». Die soziale und kulturelle Geschichte der frühen Indoeuropäer (d.h. der Proto-Indoeuropäer)ist aufs Engste mit den ökologischen Bedingungen ihrer natürlichen Umgebung verknüpft.
    3 Älteste Pferdedarstellung aus Knochen; Samara-Kultur, ca. 5000 v. Chr. (nach Gimbutas 1991: 353)
    Die Landschaft zwischen Kaspischem Meer und Schwarzem Meer, die in der Nachfolge der Eiszeit zunehmend austrocknete und versteppte, eignete sich nicht für den Pflanzenanbau. Als sich der Ackerbau im Laufe des 6. Jahrtausends v. Chr. allmählich ins östliche Europa ausbreitete, erfolgte dies in der Zone der Waldsteppe, die sich nördlich der Steppe wie ein Gürtel von der Ukraine bis zum Ural und darüber hinaus nach Westsibirien hinzieht. Ackerbau hat in prähistorischen Zeiten im breiten Steppengürtel Südrusslands keine Rolle gespielt.
    Der Übergang vom Stadium des Jagens und Sammelns zum frühen Viehnomadismus war den Menschen in jener Region von den ökologischen Existenzbedingungen praktisch vorgegeben. Auf ihren Jagdzügen hatten die prähistorischen Jäger ausgiebig Gelegenheit, sich mit den Gewohnheiten der Wildtiere vertraut zu machen. Die Steppe war mit ihren weiten grasbestandenen Weiden ein bevorzugtes Terrain für Ziegen, Schafe und insbesondere für die zahlreichen Wildpferde, deren Knochen sich in großer Zahl an den alten Siedlungsplätzen finden. Wildpferde waren in der Steppe und in der Waldsteppen-Zone verbreitet, nicht aber in der Wald- und Flusslandschaft, die sich weiter im Norden ausdehnte und die von den Proto-Uraliern bewohnt wurde. Das Wildpferd wurde vorwiegend wegen seines Fleisches gejagt. Die Vorliebe für Pferdefleisch lässt sich sogar für den Frühmenschen und dessen Jagdgewohnheiten nachweisen: Archäologen haben in der Nähe des niedersächsischen Schöningen im Braunkohlerevier einen Lagerplatz von Vertretern des Homo erectus gefunden, darin Speere und Wildpferdknochen aus der Zeit vor rund 350.000 Jahren (Thieme 2007).
Das Pferd in der nomadischen Weidewirtschaft
    Die Beobachtung der weiträumigen Bewegungen von Wildpferden und von deren Weidegewohnheiten mag die prähistorischen Jäger auf Vorteile hingewiesen haben, die die Menschen nutzen konnten, wenn sie sich in der Nähe von Wildpferden aufhielten.Pferde bevorzugen das beste Gras, das in Gegenden mit reichhaltigen Wasserreserven wächst. Instinktiv finden sie daher Wasserquellen wie Bäche, Flussläufe und Teiche, was ihre Bewegungen von einem Weideplatz zum anderen lenkt. Da Pferde im Allgemeinen nur den oberen Teil von Grasbüscheln fressen, bleibt genug Futter für kleinere Tiere übrig. Den Wildpferden folgten daher Wildziegen und wilde Schafe, die auf ihre Weise von den Gewohnheiten der Wildpferde profitierten. Den frühzeitlichen Jägern war Jagdglück beschieden, wenn sie sich den Zügen der Wildpferde anschlossen. Dieses Verhalten kennzeichnet das Stadium der Transhumanz (engl. transhumance), die der eigentlichen Domestizierung vorausging.
    Die Anfänge des Viehnomadismus, also das aktive Eingreifen der Menschen in die natürlichen Weidegewohnheiten in der Steppenregion, werden etwa in das 7. Jahrtausend v. Chr. datiert. Der Prozess der Domestizierung fing mit der Kontrolle über kleinere Tiere wie Ziegen und Schafe an und dehnte sich in einer weiteren Phase auf Pferde aus. Um größere Herden von Ziegen und Schafen zusammenzuhalten,
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