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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge
Autoren: Dan Simmons
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kenne niemanden, dem es gelungen wäre.«
    »Dürfte man fragen«, sagte Martin Silenus und hob fröhlich wie ein Schuljunge die Hand, »was beim stammelnden Mist genau mit diesen Legionen von Schiffen passiert ist?«
    Pater Hoyt sah den Dichter stirnrunzelnd an. Fedmahn Kassad lächelte verhalten. Sol Weintraub sagte: »Der Konsul wollte nicht sagen, dass das Gebiet unzugänglich ist. Man kann per Schiff und auf verschiedenen Landwegen dorthin gelangen. Und die Raumschiffe und Flugzeuge verschwinden auch nicht. Sie landen problemlos bei den Ruinen oder Zeitgräbern und kehren ebenso problemlos zu den Punkten zurück, die in ihre Computer eingegeben sind. Lediglich die Piloten und Passagiere sieht man nie wieder.« Weintraub hob das schlafende Baby vom Schoß und setzte es in eine Trage, die er um den Hals hängen hatte.
    »So will es die müde alte Legende«, sagte Brawne Lamia. »Was zeigen die Schiffslogs?«
    »Nichts«, sagte der Konsul. »Keine Gewalteinwirkung. Kein gewaltsames Eindringen. Keine Abweichungen vom Kurs. Keine unerklärlichen Zeitsprünge. Keine außergewöhnlichen Energie-Emissionen oder -Depletionen. Keine irgendwie gearteten physikalischen Phänomene.«
    »Keine Passagiere«, sagte Het Masteen.
    Der Konsul holte langsam zweimal Luft. Wenn Het Masteen tatsächlich gerade einen Scherz versucht hatte, so war es das erste Mal in all den Jahrzehnten, in denen der Konsul mit den Tempelrittern zu tun hatte, dass einer auch nur einen ansatzweisen
Sinn für Humor zeigte. Was der Konsul freilich von den vage orientalischen Zügen unter der Kapuze sehen konnte, ließ nicht erkennen, ob ein Scherz beabsichtigt gewesen war.
    »Hervorragende Melodramatik«, lachte Silenus. »Ein lebensechtes, gottverdammtes Sargasso der Seelen, und wir steuern darauf zu. Wer orchestriert eigentlich diesen Pisspott von einer Handlung?«
    »Seien Sie still«, sagte Brawne Lamia. »Sie sind betrunken, alter Mann!«
    Der Konsul seufzte. Die Gruppe war nicht einmal eine Standardstunde beisammen.
    Mannschaftsklone räumten das Geschirr ab und brachten Desserttabletts mit Sorbets, Kaffee, Früchten des Baumschiffs, Cremes, Torten und Getränken aus Renaissance-Schokolade. Martin Silenus lehnte die Desserts mit einer Handbewegung ab und befahl den Klonen, ihm noch eine Flasche Wein zu bringen. Der Konsul dachte einige Augenblicke nach, dann bat er um einen Whiskey.
     
    »Ich denke«, sagte Sol Weintraub, als die Gruppe mit dem Dessert fertig war, »unser Überleben könnte davon abhängen, dass wir miteinander reden.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Brawne Lamia.
    Weintraub wiegte das Kind, das schlafend an seiner Brust lag. »Zum Beispiel: Weiß jemand hier, warum er oder sie von der Kirche des Shrike und dem All-Wesen auserwählt worden ist, diese Reise mitzumachen?«
    Niemand sagte etwas.
    »Dachte ich mir«, sagte Weintraub. »Noch faszinierender: Ist jemand der Anwesenden Mitglied oder Anhänger der Kirche des Shrike? Ich für meinen Teil bin Jude, und so durcheinander meine religiösen Vorstellungen heutzutage auch sein mögen, sie umfassen nicht die Anbetung einer organischen
Mordmaschine.« Er zog die buschigen Brauen hoch und sah sich am Tisch um.
    »Ich bin die Wahre Stimme des Baums«, sagte Het Masteen. »Obgleich viele Tempelritter glauben, dass das Shrike das Avatar der Strafe für all jene ist, welche sich nicht von der Wurzel nähren, muss ich das als Häresie betrachten, die nicht in der Bulle oder den Schriften von Muir verankert ist.«
    Der Konsul links vom Kapitän zuckte mit den Achseln. »Ich bin Atheist«, sagte er und hielt das Whiskeyglas ins Licht. »Ich hatte nie Kontakt mit dem Shrike-Kult.«
    Pater Hoyt lächelte humorlos. »Die katholische Kirche hat mich geweiht«, sagte er. »Die Anbetung des Shrike steht im krassen Gegensatz zu allem, was die Kirche verteidigt.«
    Oberst Kassad schüttelte den Kopf, aber es war nicht klar, ob als Weigerung, sich zu äußern, oder als Verneinung, dass er Mitglied der Kirche des Shrike war.
    Martin Silenus machte eine ausholende Gebärde. »Ich wurde als Lutheraner getauft«, sagte er. »Einer Untersekte, die nicht mehr existiert. Ich habe mitgeholfen, die Zen-Gnostik zu begründen, bevor euer aller Eltern geboren waren. Ich war Katholik, Offenbarungsprediger, Neo-Marxist, Interface-Fanatiker, Bound Shaker, Satanist, Bischof der Kirche von Jake’s Nada und zahlendes Mitglied des Beglaubigten Reinkarnations-Instituts. Jetzt, kann ich voller Freude sagen, bin ich
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