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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge
Autoren: Dan Simmons
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Brawne Lamia.
    »Nichts.« Martin Silenus grinste. »Das ist ja gerade das Schöne.«
    »Wir sollten darüber abstimmen«, sagte der Konsul. Er dachte an Meina Gladstones Bemerkung, dass einer aus der Gruppe ein Agent der Ousters war. Konnten die Geschichten etwa eine Möglichkeit sein, den Spion zu entlarven? Der Konsul lächelte, als er an einen so dummen Agenten dachte.
    »Wer hat entschieden, dass wir eine glückliche kleine Demokratie sind?«, fragte Oberst Kassad trocken.
    »Das sollten wir besser sein«, entgegnete der Konsul. »Damit wir unsere individuellen Ziele erreichen, muss diese Gruppe gemeinsam die Region des Shrike erreichen. Wir brauchen eine Methode, Entscheidungen zu treffen.«
    »Wir könnten einen Anführer wählen«, sagte Kassad.
    »Darauf scheiß ich«, sagte der Dichter in liebenswürdigem Tonfall. Auch die anderen am Tisch schüttelten alle den Kopf.
    »Nun gut«, sagte der Konsul. »Wir stimmen ab. Unsere erste Entscheidung betrifft den Vorschlag von Sol Weintraub, dass wir uns alle die Geschichte unserer früheren Erlebnisse auf Hyperion erzählen.«

    »Alles oder nichts«, sagte Het Masteen. »Wir erzählen alle unsere Geschichten – oder keiner. Wir werden uns dem Willen der Mehrheit fügen.«
    »Einverstanden«, sagte der Konsul, der plötzlich neugierig war, die Geschichten der anderen zu hören, aber gleichzeitig gewiss, dass er seine eigene niemals preisgeben würde. »Wer ist dafür, dass wir unsere Geschichten erzählen?«
    »Ja«, sagte Sol Weintraub.
    »Ja«, sagte Het Masteen.
    »Unbedingt«, sagte Martin Silenus. »Diese komische kleine Farce möchte ich nicht gegen einen Monat in den Orgasmusbädern auf Shote eintauschen.«
    »Ich stimme auch dafür«, sagte der Konsul, sehr zu seiner eigenen Überraschung. »Gegenstimmen?«
    »Nein«, sagte Pater Hoyt, aber seine Stimme hatte keine Kraft.
    »Ich halte es für dumm«, sagte Brawne Lamia.
    Der Konsul wandte sich an Kassad. »Oberst?«
    Fedmahn Kassad zuckte mit den Achseln.
    »Ich zähle also vier Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung«, sagte der Konsul. »Damit ist der Vorschlag angenommen. Wer will anfangen?«
    Schweigen herrschte am Tisch. Schließlich sah Martin Silenus, der etwas auf einen kleinen Zettel geschrieben hatte, in die Runde. Er riss den Zettel in mehrere kleine Streifen. »Ich habe Ziffern von eins bis sieben geschrieben«, sagte er. »Warum ziehen wir nicht und halten uns an die Reihenfolge, die wir ziehen?«
    »Das kommt mir reichlich kindisch vor«, sagte M. Lamia.
    »Ich bin ein kindischer Bursche«, erwiderte Silenus mit einem Satyrlächeln. »Botschafter« – er nickte dem Konsul zu – »dürfte ich mir das goldene Kissen ausleihen, das Sie als Hut tragen?«

    Der Konsul reichte ihm den Dreispitz, die gefalteten Schnipsel wurden hineingeworfen, der Hut machte die Runde. Sol Weintraub zog als Erster, Martin Silenus als Letzter.
    Der Konsul faltete seinen Zettel auseinander und achtete darauf, dass ihn niemand sehen konnte. Er war Nummer sieben. Die Nervosität strömte aus ihm heraus wie Luft aus einem zu stark aufgepumpten Ballon. Es war gut möglich, überlegte er sich, dass die Ereignisse ihnen einen Strich durch die Rechnung machten, bevor er seine Geschichte erzählen musste. Oder der Krieg würde alles überflüssig machen. Oder die Gruppe verlor das Interesse an den Geschichten. Oder der König starb. Oder das Pferd starb. Oder er brachte dem Pferd das Sprechen bei …
    Keinen Whiskey mehr, dachte der Konsul.
    »Wer ist der Erste?«, fragte Martin Silenus.
    In dem kurzen Schweigen konnte der Konsul die Blätter hören, die im Wind raschelten.
    »Ich«, sagte Pater Hoyt. Das Gesicht des Priesters zeigte denselben Ausdruck kaum verhohlenen Akzeptierens von Schmerz, wie der Konsul es in den Gesichtern von unheilbar kranken Freunden gesehen hatte. Hoyt hielt sein Stück Papier hoch, auf das deutlich eine 1 gekritzelt war.
    »Na gut«, sagte Silenus. »Fangen Sie an!«
    »Jetzt?«, fragte der Priester.
    »Warum nicht?« entgegnete der Dichter. Die einzigen Anzeichen dafür, dass Silenus schon zwei Flaschen Wein getrunken hatte, waren eine etwas dunklere Färbung seiner ohnehin schon roten Wangen und eine etwas dämonischere Neigung der buschigen Brauen. »Wir haben noch ein paar Stunden bis zur Landung«, sagte er, »und ich für meinen Teil gedenke, die Nachwirkungen der Gefrierfuge erst auszuschlafen, wenn wir sicher unten sind und uns unter den schlichten Eingeborenen eingelebt
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