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Die Hure und der Henker

Die Hure und der Henker

Titel: Die Hure und der Henker
Autoren: Ingeborg Arlt
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das nicht, wie die meisten im Hurenzelt, schon nach wenigen Worten
auf Angriff und Verteidigung schrumpfte!
    Was gab ich
mir doch für Mühe, es nicht versiegen zu lassen!
    Aus seinen
ausgefransten Manschetten und seinem unbeholfen angenähten Jackenknopf hatte
ich schon am Anfang auf einen frauenlosen Haushalt geschlossen, aus dem Lächeln
und der Tatsache, dass er Honza vom zweiten Bier den Schaum schlürfen ließ,
auch darauf, dass ihn das Kind wenig störte. Honza? Das entspreche dem
deutschen Hans. Mein Name? Sorka. Das sei die Kurzform von Zora.
    Ich musste
ihm meinen Namen mit einem Kohlestück auf den Tisch neben den feuchten Rand
schreiben, den sein Bierkrug hinterlassen hatte.
    »Tssohra«, las er wie alle
Deutschen.
    »Nein, nicht
Tssohra. Das Z ist stimmhaft wie euer S in Salz und das O ist offen wie in
Gott, Tochter, komm.«
    Er lachte
Tränen, als ich ihm von meinem Versuch, Honza taufen zu lassen, erzählte. Wie
ich, zugegeben, etwas zerlumpt, das Kind auf dem Arm, in Havelberg in einer
Amtsstube stand. Wie ich dem Geistlichen wahrheitsgemäß meinen Stand –
unverheiratet – und meinen Wohnort – im schwedischen Tross, im Hurenzelt –
nannte. Wie der sich hinter seinem Schreibpult zurückzog, als fürchte er,
dorthin mitgenommen zu werden.
    »Aber ich
wollte ihn nicht notzüchtigen. Ich wollte nur mein Kind taufen lassen!«
    Wie ich, die
ich doch schon als kleines Kind in der Werkstatt unseres Vaters die Lettern
sortierte, Spiegelschrift selbstverständlich lesen konnte, also las, was er
schrieb: »zu taufen den 06. May ein Hurenkind namens Hans«, und ihn
berichtigte: »Das Kind heißt Honza. Korrigiert das bitte!«
    In seinem Gesicht
mischten sich Unverständnis und Schreck.
    »War das so ein Großer? Mit
dunklen, krausen Haaren?«
    »Ja.«
    »Das war
Isenburg. Der glaubt nicht mal, dass Weiber überhaupt lesen können.« Valentin
lachte so laut, dass man sich damals sogar nach uns umsah.
    Als er dann
sagte, wenn ich wolle, könne ich mit dem Kind bei ihm wohnen, als er erklärte,
er habe von seiner Mutter eine Kate geerbt und die sei zwar klein und früher
wäre so etwas auch nicht möglich gewesen, da hätten Mädchen wie ich – er sagte
Mädchen! – Kirchbuße tun müssen und er, in einem solchen Falle, hätte
wahrscheinlich sein Amt verloren, aber jetzt habe der Krieg alle Ordnungen
aufgehoben, kein Hahn krähe mehr danach, wer bei wem wohne, und die strengen
Bürger, die ihre Töchter früher verstoßen hätten, wenn sie sich in Soldaten
verliebten, trügen sie den Offizieren jetzt geradezu an, als er sagte, wenn ich
wolle, könne ich mit dem Kind bei ihm wohnen, da war ich zum Beiwohnen so sehr
bereit, wie ich es selbst nie für möglich gehalten hätte. Aus Dankbarkeit.
Nicht aus Bedürfnis. Zwei Jahre hatten wir bei ihm eine Bleibe.

 
    20
     
     
     
    Ich habe
vorgestern, als Valentin von der Beratung zurückkam, gleich gesehen, was los
war; in zwei Jahren lernt man sich kennen.
    Wenn man
seinen Verstand beleidigte wie Pflücke, der im zwanzigsten Kriegsjahr immer
noch von einem Glaubenskrieg sprach, wehrte er sich wortreich, machte er sich
in Reden Luft, sprach vom katholischen Frankreich und wie denn der verehrte
Kollege erkläre, dass es sich mit dem protestantischen Schweden verbünde; aber
wenn man sein Gefühl beleidigte, schwieg er. Dann kam er knapp grüßend herein,
warf die Tür lauter als nötig ins Schloss, und schon daran hörte ich, dass die
Beratung für ihn unerfreulich gewesen sein musste. Dann flog sein Hut auf den Tisch,
so, dass der mit seiner breiten Krempe über die Tischplatte rutschte. Die
Pistole wurde danebengeknallt. Er schnallte sich den Gürtel mit ruckartigen
Bewegungen ab. Ich konnte gerade noch die Kerze wegziehen. »Bist du verrückt?«
Am Gürtel hingen auch Kugelbeutel und Pulverflasche.
    Dann legte er
das Viertelbrot auf den Tisch und antwortete kaum, als ich mich freute und
fragte. »Von Judith«, sagte er nur.
    Dass Kober
nicht vier, sondern zwölf Männer dazugebeten hatte, erfuhr ich erst nachts, als
er wieder zum Reden erwachte. Drei von Kobers zwölf Briefen seien nicht mehr
zustellbar gewesen, die Häuser vernagelt, die Bewohner krank oder von der Pest
schon dahingerafft. Auch Pfarrherr Isaak Metzdorf, erzählte der Bote bedrückt,
der seine beiden Kinder gepflegt habe bis zuletzt, sei nach ihnen verstorben.
    Mitten in der
Nacht, als ich eigentlich aufstehen wollte, denn ich hatte Peter, dem
Henkersjungen, versprochen, zu kommen, aber das
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