Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums
Autoren: Gabriela Galvani
Vom Netzwerk:
wenig erfolgreiche Tätigkeit als Schriftsteller erzielte. Meitinger war Sebastian Rehm gegenüber trotz aller Vorurteile freundlich eingestellt und beschäftigte ihn gelegentlich ...
    »Luzifer, bekenne, dass du an die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Marias glaubst«, dröhnte die erhobene Stimme des Priesters durch das Kirchenschiff.
    »Nein!«, kreischte die Hure, als ginge es um Leben und Tod, was letztlich wohl zutraf, denn die ganze Prozedur sollte dazu dienen, den Teufel aus ihrem Leib für ewig in die Hölle zu verbannen.
    »In nomine patris et filii et spiritus sancti«, bei den lateinischen Worten des Priesters hob Christiane wieder ihren Blick zum Geschehen.
    Der Geistliche hielt ein griechisches Kreuz aus Metall über die Besessene, die sich ebenso verzweifelt wie vergeblich dagegen zur Wehr zu setzen versuchte. Auf die Entfernung konnte Christiane nicht erkennen, ob die im Kerzenschein wie flüssiges Gold schimmernde Reliquie tatsächlich das echte Ulrichskreuz, das bedeutendste Heiligtum der Stadt, war oder nur eine sehr gute Kopie.
    Da rief der Exorzist aus: »Beim Andenken an Bischof Ulrich von Augsburg und der heiligen Afra, weiche, Gottloser, aus der Seele dieser Frau.«
    Beinahe hätte Christiane laut aufgelacht. Wie passend, die heilige Afra von Augsburg in die Teufelsaustreibung einzubeziehen. Immerhin hatte diese Märtyrerin als Dirne in derStadt gelebt, bevor sie zum christlichen Glauben gefunden und deshalb ein rasches Ende auf einem Scheiterhaufen am Lech genommen hatte. War dies der Hinweis, dass diesem Freudenmädchen der Feuertod drohte, wenn es nicht von seiner Besessenheit geheilt würde?
    Plötzlich spürte sie einen Blick auf sich ruhen. Sie drehte sich leicht, sah sich suchend um – und entdeckte ihn schließlich an einer Säule gelehnt unweit des Eingangs. Ihre Augen begegneten sich, und tiefe Röte färbte ihre bleichen Wangen.
    Wenn es einen Menschen gab, in dessen Gegenwart sie nicht über Hurerei und Ehebruch nachdenken wollte, dann war dies Georg Imhoff. Denn das war der Mann, dem ihre nächtlichen Träume galten, dessen Aufmerksamkeiten ihr gelegentlich kalte Schauer über den Rücken rieseln ließen und dessen Hände ihre Sehnsüchte in Wallung brachten, selbst wenn seine Finger nur ein Stück Brot brachen. Der Klang seiner Stimme streichelte sie, und die Worte, mit denen er simple Geschichten in wunderschöne Liebesromane verwandelte, verursachten einen regelrechten Sturm der Gefühle in ihrem Innersten.
    Sie wusste, dass sie nicht allein war mit ihrer Schwärmerei, denn selbst die Damen der reichen Handelsherren lagen dem berühmten Dichter zu Füßen, und eigentlich sollte ihr diese Erkenntnis das Herz leichter machen – doch seit dem letzten Leseabend ahnte sie, dass es einen Unterschied gab zwischen ihr und anderen Frauen, was ihre Bekanntschaft mit Imhoff erheblich komplizierte.
    Obwohl er ein ehemaliger Kommilitone ihres angeheirateten Vetters Sebastian Rehm von der Universität in Ingolstadt war, hatte sie ihn erst durch Severin Meitinger kennengelernt. Der Schriftsteller und der Druckerverleger waren beruflich eng verbunden, die beiden ungleichen Männer – der eine gerade mal dreißig Jahre alt, der andere vierzig Lenze zählend –nannten sich Freunde, und beides führte unweigerlich zu zahlreichen Zusammenkünften.
    Bei seinem letzten Besuch hatte der humorvolle, charmante und phantasiebegabte Dichter Christiane einen kleinen Strauß Schneeglöckchen überreicht und gesagt: »Es gibt eine Legende, wonach ein schüchterner Mann die Gegenliebe seiner Angebeteten erreicht, wenn er diese zarten, kleinen Blüten in einem Amulett bei sich trägt. Ich finde es schade, die Blumen zu verstecken. Deshalb gebe ich sie Euch lieber persönlich.«
    Und ihr war die Blumensprache eingefallen, wonach Schneeglöckchen »Unwiderstehlich kam unsere Liebe« bedeuteten.
    Die Zärtlichkeit von neulich konnte sie heute nicht in seinen Augen erkennen. In seinem Blick lagen Anspannung und Sorge. Die sonst so fröhlich anmutenden Lachfältchen ließen ihn überraschend altern, die Mundwinkel unter dem sandfarbenen Bart zuckten nicht vor Belustigung, sondern vor Abscheu. Kaum merklich schüttelte er den Kopf.
    Neben dem Altar schrie die arme Seele – oder vielleicht war es doch der Teufel.
    Christiane vermutete, dass Imhoffs unverhohlener Zorn ihrer Anwesenheit bei diesem unwürdigen Schauspiel galt. Er ahnte wohl, dass dies eine Zumutung für eine sensible, junge Frau war. Ihr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher