Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume

Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume

Titel: Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
Komisches war. Sie hatten ihre kleine Tochter verloren, die an einem Herzklappenfehler gelitten hatte. Dadurch war mein Großonkel sehr sonderbar geworden. Kurz bevor ich aus England zurückkehrte, hatte er ihr Hausmädchen, Mary Margaret, geschwängert, die, wie ich feststellte, die Tochter von Boggs war – Großonkel Richards Chauffeur, der auch den Haushalt führte. Niemand außer Boggs, Mary Margaret und ich wussten davon. Sowohl mein Großonkel als auch meine Großtante waren Menschen, die sich eine eigene Fantasiewelt erschufen, weil sie der Wirklichkeit nicht ins Auge sehen konnten. Mary Margaret war gezwungen worden, an Großonkel Richards Fantasien teilzunehmen.
    »Sie haben nicht zufälligerweise einen netten jungen Engländer kennen gelernt, während Sie drüben waren, oder, Prinzessin?«, fragte Jake.
    »Nein, Jake«, sagte ich.
    Bei meiner Antwort zog er die Augenbrauen hoch und hörte, dass ich vernehmlich seufzte. In der Schule hatte ich einen gut aussehenden kanadischen Jungen kennen gelernt, Randall Glenn, der Typ junger Mann, der das Herz jeder Frau zum Beben brachte, wenn er sie anschaute. Wir hatten eine Weile eine Affäre. Randall besaß eine wunderbare
Singstimme. Ich war mir sicher, dass er damit großen Erfolg haben würde, aber im Endeffekt erwies er sich als zu unreif für mich.
    »Niemanden, zu dem Sie zurückkehren?«, hakte Jake nach.
    »Shakespeare«, erwiderte ich und er lachte.
    Der Friedhof lag vor uns. Wir durchquerten einen Bogen, wandten uns nach rechts, dann nach links, um zur Grabstelle der Hudsons zu gelangen. Großmutter Hudson war neben ihrem Mann Everett begraben worden; rechts neben ihm lagen seine Eltern und ein Bruder.
    Jake hielt das Auto an und stellte den Motor ab.
    »Sieht aus, als könnte es nachher noch einen Sturm geben«, meinte er. »Ich hatte vor, Rain zu einem kleinen Trab auszuführen, aber ich warte lieber bis morgen. He«, sagte er, während ich zögerte und auf dem Rücksitz meinen Mut zusammenraffte, »vielleicht können Sie sie von Zeit zu Zeit reiten. Bis Sie nach England zurückkehren, heißt das.«
    »Ich bin schon eine ganze Weile nicht mehr geritten, Jake. Nicht mehr, seit ich hier auf der Schule war.«
    »Tja, also das ist wie Fahrrad fahren, Prinzessin. Sie steigen einfach auf, und dann kommt es schon wieder. Man verlernt es nicht«, versicherte er mir. »Ich habe Sie reiten sehen. Sie können das gut.«
    »In Ordnung, Jake. Das mache ich«, versprach ich, holte tief Luft und stieg aus.

    Während der Beerdigung hatte ich nicht viel an Großmutter Hudson gedacht. Es waren so viele Leute da und es herrschte solch eine Spannung zwischen meiner Tante Victoria und meiner Mutter, dass ich oft abgelenkt wurde. Ständig rechnete ich damit, dass Großmutter Hudson auftauchte, außer sich vor Wut über die pompösen Arrangements, die Victoria getroffen hatte.
    »Wie kannst du es wagen, solch einen albernen Gottesdienst in meinem Namen halten zu lassen? Macht alle weiter mit eurem Leben«, würde sie befehlen, mir dann zulächeln und wir würden gehen.
    Zu träumen erschien mir die beste Medizin gegen solch eine abgrundtiefe Traurigkeit, fand ich und ging auf ihr Grab zu. Jake blieb im Auto und beobachtete mich.
    »Hier bin ich, Großmutter«, sagte ich zu ihrem Grabstein, »genau dort, wo du mich hingestellt hast. Ich weiß, dass du deine Gründe dafür hattest. Du weißt, dass sie mich alle hassen wegen dem, was du mir geschenkt hast.War das als eine Art Prüfung gedacht?«
    Ich starrte ihren Grabstein an. Natürlich erwartete ich keine Antworten. Die Antworten, würde sie sagen, sind in dir. Ich hatte gehofft, hierher zu kommen würde mir helfen, sie zu finden, sie zu hören.
    Der Wind wurde frischer. Die Wolken sahen aus, als galoppierten sie über den Himmel. Jake hatte Recht mit dem Wetter. Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke weiter hoch.

    Vielleicht sollte ich einfach tun, was sie wollten – den Kompromiss akzeptieren, das Geld nehmen und gehen. Ich könnte nach England zurückkehren und niemals zurückkommen, genau wie mein leiblicher Vater. Keiner von ihnen würde mich vermissen. Und um die Wahrheit zu sagen, ich würde sie auch nicht vermissen.
    »Irgendwie glaube ich, das ist nicht, was du wolltest, aber was soll ich hier leisten, Grandma? Was kann ich tun, das du nicht bereits getan hast?«
    Ich kniete mich hin und legte die Hände auf die Erde, die ihren Sarg bedeckte. Dann schloss ich die Augen und stellte mir vor, wie sie an dem Tag,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher