Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
das, was ich immer tue«, sagte er und hob das Band hoch, um darunter durchzukriechen.
    »Nein«, hielt sie ihn zurück. »Wir dürfen niemanden hereinlassen. Diesmal nicht.«
    »Warum nicht?« fragte er verblüfft.
    »Es gibt da eine Menge Komplikationen.«
    »Die gibt es doch immer.« Seine Augen blitzten.
    »Tut mir leid«, sagte sie.
    »Früher war ich im Sperrbereich«, protestierte er. »Warum jetzt nicht?«
    »Du warst drinnen, wenn du in meiner Begleitung warst.« West entfernte sich ein paar Schritte.
    »Wenn ich...?« Das tat Brazil fast unerträglich weh. »Aber ich bin in deiner Begleitung!«
    West sah sich um und wünschte, er würde leiser sprechen. Sie durfte ihm nicht sagen, was sie im Wagen des Opfers gefunden hatte und was das mit großer Wahrscheinlichkeit über den gar nicht so unschuldigen Blair Mauney III aussagte. Sie sah zu Hammer hinüber. Sie stand noch immer in den Wagen gebeugt und studierte Unterlagen. Vielleicht war sie dankbar für die Ablenkung von ihrer eigenen traurigen Situation. West dachte an Brazils Auftritt vor ihrem Haus, als Raines sich den Videofilm angesehen hatte. Dieses Hin und Her mußte ein Ende haben. Sie mußte eine Entscheidung treffen und traf die richtige. Das spürte sie, denn im selben Moment ging eine Veränderung in ihr vor. Der Vorhang fiel. Schluß, aus.
    »Das kannst du mir nicht antun!« beklagte sich Brazil wütend. »Ich habe nichts Falsches getan!«
    »Bitte, mach keine Szene, sonst muß ich dich auffordern zu gehen«, sagte West mit Nachdruck, ganz Deputy Chief. Brazil war außer sich und verletzt, als ihm bewußt wurde, was das bedeutete.
    »Du läßt mich also nicht mehr mit dir fahren?«
    West zögerte und versuchte, ihm die Sache leichter zu machen.
    »Andy«, sagte sie. »Es konnte nicht ewig so weitergehen. Verdammt, das hast du doch von Anfang an gewußt.« Sie war frustriert und stieß mit einem Seufzer die Luft aus. »Ich bin alt genug, um. Ich bin.«
    Brazil trat einen Schritt zurück und sah sie unverwandt an, die Verräterin, die Teufelin, die hartherzige Tyrannin und das gemeinste Wesen, dem er je in seinem Leben begegnet war. Er war ihr völlig gleichgültig, und das war nie anders gewesen.
    »Ich brauche dich nicht«, sagte er grob, machte auf dem Absatz kehrt und rannte davon. So schnell er konnte, lief er zu seinem BMW.
    »Um Gottes willen«, rief West hinter ihm her. Plötzlich stand Hammer neben ihr.
    »Probleme?« Die Hände in den Taschen, sah sie Brazil nach.
    »Nur noch ein paar mehr.« Am liebsten hätte West ihn umgebracht. »Er wird irgend etwas anstellen.«
    »Gute Schlußfolgerung.« Hammers Augen blickten traurig und müde, aber sie war voll Mut und Hilfsbereitschaft für die Lebenden.
    »Ich fahre, ihm besser hinterher.«
    West entfernte sich. Hammer blieb stehen. Rot und blau reflektierten die Warnlichter der Ambulanz und der Streifenwagen auf ihrem Gesicht. Sie sah, wie West einige Reporter beiseite schob und zu ihrem Wagen ging. Hammer dachte über das Phänomen der jungen Liebe nach, über Menschen, die verrückt nacheinander waren und es nicht wußten, die einander bekämpften, flohen und jagten. Der Krankenwagen setzte zurück, um die Überreste eines Menschen fortzuschaffen, für den Hammer in diesem Moment wahrlich kein besonderes Mitleid empfand. Natürlich hätte sie ihm kein derart gewaltsames Ende gewünscht. Aber war er nicht ein Schuft, der viele hintergangen und betrogen und mit großer Wahrscheinlichkeit sogar den Drogenhandel gefördert hatte? Hammer beschloß, diese Ermittlungen selbst in die Hand zu nehmen und, wenn nötig, mit Blair Mauney III ein Exempel zu statuieren. Immerhin hatte er auf ein und derselben Reise die Bank und einen Stricher aufs Kreuz legen wollen. »Ein Mensch stirbt, wie er gelebt hat«, sagte Hammer und klopfte Detective Brewster dazu auf den Rücken.
    »Chief Hammer.« Er legte gerade einen neuen Film in seine Kamera ein. »Es tut mir leid mit Ihrem Mann.«
    »Mir auch. Auf vielfältigere Weise, als Sie sich vorstellen können.« Sie duckte sich unter dem Band hindurch.
    Brazil mußte wieder mal Vollgas gegeben oder sich gleich hier in einer dunklen Gasse versteckt haben. West fuhr auf der West Trade und hielt nach seinem alten BMW Ausschau. Immer wieder sah sie in den Rückspiegel. Keine Spur von ihm. Aus dem Scanner kamen in scharfem Staccato Meldungen über Polizeieinsätze überall in der Stadt. Sie nahm ihr Handy und wählte Brazils Nummer beim Observer. Nach dem dritten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher