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Die Holzhammer-Methode

Die Holzhammer-Methode

Titel: Die Holzhammer-Methode
Autoren: Fredrika Gers
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hätten sofort verständigt werden müssen», rügte Fischer. «Hast du wenigstens die Adresse?»
    «Ja», nickte Holzhammer, «vom Kameraden des Toten.»
    «Dann erledige das bitte als Erstes.»
    Natürlich hatte Holzhammer genau das befürchtet. Er hoffte, dass die Eltern inzwischen von dem Freund des Toten schon alles wussten. Dann wäre er selbst nicht der Überbringer der furchtbaren Botschaft. Deshalb hatte er den Anruf auch hinausgezögert und war gestern direkt nach der Arbeit zu seiner Baustelle gefahren. Und anschließend ins Nachtcafé.
    Gegen zehn Uhr kam der Bericht der Spurensicherung. Der Gleitschirm war völlig intakt, ebenso der Notfallschirm, den der Tote dabeigehabt hatte. Rätselhaft war, warum das Opfer nicht versucht hatte, den Rettungsschirm zu öffnen. In der Hose des Opfers hatte man eine größere Portion Darminhalt gefunden. Der Tote hatte sich beim Absturz in die Hose gemacht, kaum verwunderlich angesichts eines Falls aus 3000  Metern Höhe. Die Erklärung, warum man an der Absturzstelle nichts gerochen hatte, lieferten die akribischen Spurensucher auch: Der Tote hatte einen Overall aus wasserabweisendem Gewebe getragen, das kaum etwas durchließ.
    Aber warum hatte der Mann nicht versucht, den Notfallschirm zu öffnen? Darauf hatten die Spurensucher keine Antwort. Holzhammer hatte schon viele Sportunfälle erlebt, und normalerweise hielt man sich nicht lange damit auf, die Todesursache anzuzweifeln. Aber hier – irgendwas störte den erfahrenen Polizisten. Er hatte schon so viele tödliche Unfälle gesehen, ob abgestürzte Kletterer oder Turnschuhtouristen, die es schafften, von einem meterbreiten Weg herunterzufallen. Auch Lawinentote kamen vor, hin und wieder ein Badeunfall, und auch einen Gleitschirm-Absturz hatte Holzhammer schon erlebt. Aber in den allermeisten Fällen gab es Augenzeugen, die den fatalen Moment, in dem die Tragödie ihren Lauf nahm, genau benennen konnten. Der falsche Knoten, das Glatteis, die kurze Unachtsamkeit oder wie der Hang ins Rutschen kam. Oft waren es einfach bergwandernde Rentner, die sich übernahmen und dann einen Herzanfall erlitten.
    Bei diesem jungen Burschen jedoch konnte kein Fehler an der Ausrüstung festgestellt werden, und sein Freund hatte gesagt, dass er ein sehr erfahrener Flieger war. Ein Herzanfall? Äußerst unwahrscheinlich. Aber irgendetwas musste passiert sein. Und Franz Holzhammer wollte wissen, was es war. Er würde noch mal mit dem Freund des Toten sprechen, und möglicherweise auch mit einem Gleitschirmexperten. Und er würde die Leiche untersuchen lassen – wenigstens oberflächlich. Holzhammer ging hinauf ins Chefzimmer, um Fischer zu informieren, der sich immer noch mit den Presseanfragen amüsierte.
    «Kurz gesagt, i mecht noch amal an Doktor in Trab setzen», fasste der Hauptwachtmeister sein Vorhaben zusammen.
    «Von mir aus», nickte Fischer. «Aber der soll keine unnötigen Kosten verursachen. Wir brauchen keine Obduktion bis zum letzten Fußnagel, nur weil der Kerl sich in seinen Seilen verheddert hat.»
    «Ist recht. Er soll halt schauen, ob es ein Herzinfarkt oder Schlaganfall gewesen ist, dann hob ma wenigstens für die Hinterbliebenen etwas in der Hand.»

    Christine stand im Badezimmer von Dr. Klaus Fischer. Die Nacht hatte ihr gutgetan, doch nun war sie vorbei. Vielleicht war es für den Moment die beste Therapie gewesen, die sie sich hatte verordnen können. Aber jetzt am Morgen stellte sich ein gewisses Katergefühl ein. Es hatte ihr gestern gefallen, wie scharf dieser Klaus auf sie gewesen war. Doch obwohl das Ergebnis seiner Bemühungen durchaus befriedigend gewesen war, fühlte sie sich auch ein wenig ausgetrickst. Der Typ hatte schließlich genau mitbekommen, wie es ihr ging – und das dann zielstrebig ausgenutzt. Ein Klassiker. Klar: Sie hatte sich nicht gerade mit Händen und Füßen gewehrt. Aber dieses Gefühl, dass sie das unter normalen Umständen nicht gemacht hätte, ließ sich einfach nicht vertreiben. Die Frustration, Trauer und Wut über ihren Exmann in spe hatten ihre Instinkte lahmgelegt. Solche Gefühle waren nun mal schlechte Ratgeber in Beziehungsfragen. Aber halt! Wer dachte denn gleich an Beziehung? War sie wirklich so altmodisch, dass sie sich Sex ohne Beziehung nicht vorstellen konnte? Schluss damit, dachte sie. Viel wichtiger war jetzt, dass sie irgendwie zur Klinik kam und möglichst niemand merkte, dass sie nicht nur dieselbe Bluse, sondern auch denselben Slip anhatte wie gestern.
    In
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