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Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Titel: Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Autoren: Christopher Brookmyre
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señor.«
    Harry legte sich den Hörer wieder an den Kopf. »Ta-daa!«
    »Und dass sie dich vielleicht verarscht, kannst du dir nicht vorstellen? Soll nämlich manchmal vorkommen, dass Nutten nicht immer ganz ehrlich sind.«
    »Ach? Okay, sie kommt in der Hotelbar auf mich zu. Sie sucht ’nen Freier. Ich frag sie, ob sie Englisch kann. Sie weiß, dass ich Amerikaner bin und dass die gewünschte Antwort natürlich ›ja‹ lautet, wenn aus der Sache was werden soll, aber sie lügt und sagt Nein, weil ich ja eventuell irgendwelche Topsecret-Geheimnisse verraten könnte. Das glaubst du doch selber nicht. Wir sind hier in Hermosillos im heißen Sommer, Mickey, nicht in Berlin mitten im Kalten Krieg!«
    »Ich sag Alessandro dann, dass du gerade keine Zeit für seinen Auftrag hast, weil du dir lieber den Schwanz lutschen lässt, ja?«
    »Sag ihm, was du willst. Sag ihm, ich führ mich wie ein Arschloch auf, wenn’s dir das Leben leichter macht. Aber wenn ich den Job hier erledigt hab, könnt ihr mich alle mal.«
    »Was? Du meinst, wenn du recht haben solltest, stellst du diesmal nicht so bescheiden und zurückhaltend dein Licht unter den Scheffel wie sonst immer?«
    »Fick dich.«
    »Wenn du kein braver Hund bist, gibt er den Job weiter.«
    »Meinetwegen. Soll sich ein anderer in Kanada die Eier abfrieren. Hab nichts dagegen.«
    »Da oben haben die auch Sommer, Harry.«
    »Tja, dann ist wenigstens schönes Wetter zum Sightseeing, sonst gibt’s da nämlich nichts zu tun. Scheiße, ich besteh drauf, dass er den Job weitergibt, okay?«
    »Alles klar.«
    »Ich weiß auch nicht, was die ganze Hetze soll. Nunez wird noch lang genug tot sein. Oder meint Alessandro, sein Respektometer zählt jede Sekunde, die der Typ noch lebt, der ihn beschissen hat?«
    »Alessandro ist jung. Die ganze Scheiße ist einem eben wichtig, wenn man sich noch allen beweisen muss.«

    »Dummerweise meint er, dass er sich nur so allen beweisen kann. Wenn du mich fragst, konzentriert sich der Junge zu sehr auf Angst als Motivationshilfe. Meint er etwa, Nunez hat ihn reingelegt, weil er nicht genug Angst hatte? Nunez hat Alessandro reingelegt, weil er zu geizig war. Er ist ’ne ganz große Nummer, Kopf der Estobals. Nunez hatte die Hosen gestrichen voll. Schiss vor den Estobals, Schiss vor den Bullen. Der hat fieberhaft nach ’nem Ausweg gesucht und den ersten genommen, der sich angeboten hat. Aber wenn Alessandro ihn einigermaßen angemessen bezahlt hätte, hätte Nunez sich ein bisschen beruhigt. Alessandro muss mal kapieren, dass Leute zwar billig oder umsonst für einen arbeiten, wenn sie Schiss haben, dass das aber nicht ewig so läuft. Nur weil einer Angst vor dir hat, heißt das nicht, dass er dich nicht abzieht, sobald er die Gelegenheit dazu hat. Wenn einer aber weiß, dass du seine Brötchen bezahlst, dann kannst du ihm schon eher vertrauen.«
    »Er hat noch ’ne Menge zu lernen. Aber wir können nur abwarten.«
    Abwarten. Was genau, sprach Miguel nicht aus, aber sie rechneten beide nicht damit, dass der Junge wirklich irgendwann etwas lernte. Früher oder später würde Alessandro seinen eigenen Tod verantworten; auf dieser Einschätzung basierte die langfristige Strategie der weiseren Köpfe der Estobal-Organisation. Niemand hatte Lust auf einen Coup von innen – zumindest noch nicht. Das wäre zu schmutzig, das würde zu viel Blut kosten und den Hyänen deutlich zu verstehen geben, dass das große Tier krank war. In der Zwischenzeit waren also Leute wie Miguel und Harry mit der Aufgabe betraut, dafür zu sorgen, dass der Junge die Organisation nicht allzu sehr schädigte, bevor er zwangsläufig von seiner viel zu steilen Lernkurve fiel.
    Alessandro war die einzige Schwäche des Alten gewesen, umso schlimmer, weil er nicht sein eigener Sohn war. Dann wäre er ihm so nah gewesen, dass er all seine Macken hätte sehen und ausbügeln können. Aber der Alte hatte keinen eigenen Sohn, und sein Neffe strahlte dafür umso heller als sein Goldjunge, sein Auserwählter. Der Junge bekam alles in den Arsch gesteckt, ohne dass er es sich verdient hatte. Deshalb kannte er den Wert seiner Macht, seiner Besitztümer nicht. Er verwechselte Angst mit Respekt, Gehorsam mit Loyalität und Egoismus mit Ehrgeiz.
    Der Alte hatte noch jede Krise überlebt. Bis auf den Lungenkrebs, natürlich. Er hatte das Geheimnis des Überlebens gekannt: Man muss sich jeden Morgen nach dem Aufstehen fragen, was die Welt einem heute beibringen kann. Der Junge war der Ansicht,
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