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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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haben längst beschlossen, zu den Zelten der Siksikau zu gehen. Schon zu der Zeit, als der Sommer sich neigte, als das Gras gelb wurde und Schnee und Frost noch bevorstanden, haben wir es miteinander beschlossen, und ich sagte dir, daß die Männer der Siksikau harte Krieger sind und daß es schwer ist, in ihre Reihen aufgenommen zu werden. Wenn wir das schon im Herbst gewußt haben, werden wir nicht jetzt im Frühling beginnen, uns davor zu fürchten. Ich habe gesprochen, hau.«
    Der Vater erhob sich, woraufhin auch der Junge sofort aufstand. Die beiden saßen wieder auf und ritten in dem Wechsel von leichtem Galopp und Schritt, wie er ihnen als Reiter ohne Sattel gewohnt war, in nordwestlicher Richtung über die Grassteppe. Der Himmel hatte sich aufgehellt, die Prärie war besonnt. Die wenigen Wolken, die noch dahinsegelten, warfen ihre wandernden Schatten. Da die beiden Dakota morgens schon etwas zu sich genommen hatten und nur eine Mahlzeit am Tage gewohnt waren, machten sie in den Mittagsstunden keine Rast, sondern ritten weiter. Die Fährten, die sie bis dahin gefunden hatten, stammten von Antilopen, Hirschen und einem Elch. Drei Stunden nach Mittag trafen sie auf die Spuren von Menschen. Es war eine große, sehr deutliche Fährte, die ihnen schon von weit her auffiel. Sie trieben ihre Mustangs an und galoppierten hin, saßen ab, ehe sie etwa eine Spur verdarben, machten die Pferde schnell fest, so daß sie zwar weiden, aber nicht ausbrechen konnten, und begannen dann, jeder für sich, vorsichtig umherzulaufen, um die Spur wie eine Schrift zu lesen. Als sie wieder zusammenkamen, fragte der Vater: »Nun? Was sagst du?« Der Knabe war es gewohnt, daß der Vater ihn fragte, ehe er seine eigene Meinung sagte. Das war die Schule, die ein Indianerknabe durchmachte.
    »Ein Zeltdorf auf Wanderung, Vater. Sie wandern auf die gleiche Weise wie wir.« ­ Wenn der Knabe »wir« sagte, so meinte er den Stamm der Dakota und sein heimatliches Zeltdorf. ­ »Die Frauen mit den Kindern sind in einem langen Zug in der Mitte geritten, ihren Pferden waren die Rutschen angehängt.« Da die Indianer das Rad nicht kannten, auch nicht in Gebrauch nahmen, als sie es durch die Weißen kennenlernten, transportierten sie Zelt, Habe und kleine Kinder in althergebrachter Weise in Rutschen, die den Pferden angehängt wurden. Zwei lange Fichtenstangen wurden mit den dünnen Enden über dem Pferderücken gekoppelt, die dicken Enden schleiften nach. Zwischen die schleifenden Enden wurde eine Decke gespannt, in die man Habe einladen und Kinder hineinsetzen konnte. Dieses Transportmittel war für die Wanderungen ohne Weg und Steg sehr geeignet. »Rechts und links und an der Spitze und am Ende des Zuges der Frauen sind die Krieger und Burschen geritten. Ich denke, es sind etwa zwanzig Zelte.«
    »Hau. Wie alt ist die Fährte?«
    »Vielleicht einen Tag alt. Diese Zelte können nicht weit von hier sein, denn die Frauen mit den Rutschen reiten im Schritt.«
    »Komm!«
    Die beiden Dakota holten sich ihre Pferde und schwangen sich auf. Aber sie setzten ihre Tiere nicht in Bewegung, wie sie beabsichtigt hatten, sondern blieben wie zwei Standbilder am Platze. Gegen Westen zu, in einer Ferne, in der nur ein Jägerauge noch etwas erkennen konnte, hatten sie beide zugleich Reiter entdeckt. Es war nur eine kleine Gruppe von sieben Reitern, die fliehende Antilopen verfolgten. Die Dakota beobachteten, wie zwei Tiere abgeschossen wurden, die übrigen flohen weiter. Die Gruppe der Reiter sammelte sich bei den erlegten Tieren und ließ von der Jagd auf die übrigen ab. Sie schienen sich aber nicht mit der Jagdbeute zu beschäftigen, sondern hielten zu Pferd in einer Linie. »Sie haben uns erspäht!« Mattotaupa setzte seinen Fuchs in Schritt, um langsam auf die fremden Reiter zuzureiten. Harka lenkte seinen Grauschimmel in die Fährte des Vaters.
    Die fremden Reiter hielten offenbar eine kurze Beratung ab. Das Ergebnis war zu erkennen. Zwei Reiter packten die erlegten Antilopen auf und ritten in nordwestlicher Richtung fort; allem Vermut nach brachten sie die Beute heim. Fünf Krieger kamen in gestrecktem Galopp auf Mattotaupa und Harka zu. Auch diese fremden Reiter waren Indianer, auf kleinen, schnellen, halbwilden Mustangs; auch sie trugen nur Hose, Gürtel und Schuhe, waren barhaupt, und ihr Oberkörper war nackt. Das Haar hatten sie nicht gescheitelt wie die Dakota, sondern glatt zurückgestrichen. Der vorderste der Reiter trug Adlerfedern in seinem schwarzen
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