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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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der Siksikau herbei; sie wiesen die Kinder weg und blieben bei den Tieren stehen, ohne die Zügel anzufassen.
    Mattotaupa und Harka betraten das Zelt; Kluge Schlange und Krumm gehender Wolf gingen hinter ihnen und ließen den Vorhang am Eingang wieder zufallen.
    Ein Feuer flackerte in der Zeltmitte. Es war angenehm warm, und aus dem Topf, der an Stöcken über dem Feuer hing, dampfte und duftete Büffelfleischbrühe. Harka war hungrig wie ein Wolf, denn in den letzten Tagen hatte er mit dem Vater zusammen von Proviant gelebt und sehr gespart. Aber er verriet seine Eßgelüste mit keinem Blick und keiner Bewegung. Ruhig, wie selbstverständlich, stand er auf dem deckenbelegten Boden zur Seite des Zelteingangs. An der Feuerstelle empfing der Häuptling des Siksikaudorfes Mattotaupa, Kluge Schlange und Krumm gehenden Wolf. Die Frau des Häuptlings stellte die Tonschüsseln zum Essen zurecht und gab die Hornlöffel dazu. Kinder waren nicht im Zelt. Sie kamen jetzt erst herein. Ein Junge in Harkas Alter und ein wesentlich jüngeres Mädchen schlüpften durch den Zeltschlitz. Der Junge verhielt sich genau, wie Harka sich verhalten hätte. Er ging zur Seite und blieb nahe dem Zelteingang stehen, aber nicht neben dem fremden Knaben, sondern in dem Abstand, der ihm gehörig schien. Die beiden Jungen hatten einen einzigen Blick miteinander gewechselt, von dem jeder gewünscht hatte, daß der andere ihn nicht bemerken würde, aber ihre Augen hatten sich genau getroffen. Dies gab jedoch nicht den Anlaß dazu, daß sie sich irgendwie gefühlsmäßig verständigten, im Gegenteil. Ein jeder der beiden war unwillig darüber, bei seiner Aufmerksamkeit auf den anderen entdeckt worden zu sein, und als ob hieran jeweils der andere durch unziemliche Neugier schuld wäre, vergalten sie es einander mit einer besonders frostigen und ablehnenden Haltung. In einer solchen Haltung waren sie beide schon Meister, besonders aber Harka. Beide rührten sich nicht, sondern schauten unverwandt nach der Mitte des Zeltes, um die Vorgänge dort zu beobachten. Das kleine Mädchen half der Mutter; es hatte sehr leichte Bewegungen, fast als ob es schwerelos sei.
    Die Krieger am Feuer hatten sich noch nicht gesetzt. Der Häuptling, groß, kräftig, würdig in seiner Art, stand Mattotaupa gegenüber, der etwas schlanker und noch größer war. Kluge Schlange war hinausgeeilt und kam bald mit einem jungen Mädchen zurück. Es wurde angewiesen, beim Feuer zu bleiben, und schien schon zu wissen, was es zu tun habe. Bescheiden, mit herabhängenden Armen, stand es da.
    »Wie ist dein Name, und was suchst du in den Jagdgründen der Krieger vom Stamme der Siksikau?« fragte der Häuptling seinen fremden Gast, und das Mädchen übersetzte diese Worte in die Sprache der Dakota. Es sprach leise und deutlich, und Mattotaupa und Harka hörten sofort heraus, daß es eine geborene Dakota sein mußte. Wahrscheinlich war es eine Kriegsbeute der Siksikau und lebte schon längere Zeit in den ihr fremden Zelten.
    »Mein Name ist Mattotaupa, und ich habe dem Häuptling vom Stamme der Siksikau zu sagen, daß einer seiner Krieger mit gebrochenem Bein hilflos in der Prärie liegt, ohne Pferd, ohne Waffen, ohne Decke. Seinen Namen kenne ich nicht, denn er mißtraute mir. Wir haben einige Wölfe getötet, die ihn anfallen wollten.«
    »Kannst du mir irgendein Zeichen nennen, Mattotaupa, an dem ich meinen Krieger erkennen könnte?«
    »Er hat eine tiefe Narbe am rechten Oberarm, so als ob er sich einmal einen Pfeil mit Widerhaken aus dem Fleisch gerissen habe.« Der Häuptling und Kluge Schlange wurden lebhafter. »So ist es! Das ist Dunkler Rauch! Er geriet in die Gefangenschaft der Dakota.« Aber dann verschlossen sich die Mienen wieder. »Du hast uns noch nicht gesagt, woher du kommst und wohin du reitest, du Krieger, der du dich Mattotaupa nennst. Dunkler Rauch befand sich in Gefangenschaft bei unseren Feinden, den Dakota. Es mag sein, daß du ihn als Gefangenen gesehen hast und uns in eine Falle locken willst.«
    »So nehmt mich und meinen Sohn Harka Wolfstöter Bärenjäger in Fesseln mit. Ihr werdet sehen, daß wir aufrichtig gegen euch handeln. Wenn es ist, wie du sagst, Häuptling, so ist Dunkler Rauch entflohen und sucht eure Zelte.«
    »Wir fesseln keine Kinder. Bleibe du hier. Dein Sohn kommt mit mir und führt uns.«
    Mattotaupa verstand den Sinn dieser Anordnung. Wenn die Siksikau sich getäuscht sahen, konnten sie den Knaben leicht überwältigen, leichter als einen
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