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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Schopf. In der Rechten hielt er eine große hölzerne Streitaxt, wie Harka sie noch nie gesehen hatte. »Es sind Siksikau«, erklärte der Vater.
    Da die beiden Gruppen aufeinander zukamen, hatten sie sich bald erreicht. Die fünf Siksikau umschwärmten die beiden Dakota, die haltgemacht hatten, schwangen die Waffen, schrien, schienen die beiden niederreiten zu wollen, um im letzten Augenblick die Mustangs wieder herumzureißen. Mattotaupa und Harka blieben unbewegt; sie ließen nicht einmal merken, daß ihre schwarzen Augen aufmerksam waren, sondern gaben sich den Ausdruck gelassener Teilnahmslosigkeit. Nachdem die fünf Reiter ihre Waffen und ihr Können gezeigt hatten, blieben sie stehen, und zwar in lockerem Kreis um die beiden Dakota. Der Krieger, der die Adlerfedern trug, hielt Mattotaupa gegenüber. Er sagte in befehlendem Ton etwas, was Mattotaupa nicht verstand, aber die begleitenden Gesten waren eindeutig: Die Dakota sollten die Hände von den Waffen nehmen und sich entwaffnen lassen.
    Mattotaupa hatte aber bereits den Revolver in der Rechten, gab einen Schuß in die Luft ab und richtete dann die Mündung auf den Anführer der fünf Reiter. »Wir werden nicht mit den Waffen sprechen, aber wir werden in Waffen mit euch sprechen!« sagte er dabei. Harka richtete sich nach dem Verhalten des Vaters und hielt ebenfalls seinen Revolver schußbereit.
    Der Mann mit den Adlerfedern war etwas verwirrt. Die beiden Dakota, die er hier vor sich hatte, paßten nicht in sein bisheriges Weltbild. Er war groß geworden in der Vorstellung, daß es Menschen gab, und zwar Siksikau. Außerdem gab es Dakota und Assiniboine, die zwar aussahen wie Menschen, aber Feinde, Kojoten, Feiglinge und Lügner waren, mit denen die wirklichen Menschen in ständigem Kampfe lebten. Er hatte es außerdem nie anders erfahren, als daß es Krieger gab mit sauberem Körper, sauberen, gut gearbeiteten Kleidern und guten Waffen und Häuptlinge mit noch besseren Kleidern, noch besseren Waffen und dem Schmuck von Adlerfedern und Büffelhörnern. Diese beiden Dakota hier aber waren mit abgetragenen Sachen bekleidet, wenn diese auch einmal sehr gut gearbeitet sein mochten. Der Mann trug keinerlei Auszeichnung. Doch besaßen sie nicht nur vorzügliche Waffen, sondern sogar Geheimniswaffen. Der Mann konnte etwa dreißig Jahre oder auch etwas älter sein. Es war schwer, sein Alter genau zu schätzen. Seine Gestalt und seine Glieder waren kräftig und ebenmäßig; die Narben bewiesen, daß er schon schwere Kämpfe bestanden hatte. Der Ausdruck seiner Züge wirkte zugleich aufrichtig und verschlossen. Während die glatte, hellbraune Haut die eines noch jungen Mannes zu sein schien, fielen in seinem schwarzen Haar schon einzelne graue Fäden auf, und um Augen und Mundwinkel hatten sich Falten gebildet, wie Gram und Erbitterung sie in ein menschliches Antlitz einzeichnen. Der hoch gewachsene schlanke Junge zur Seite des Mannes war nicht das Ebenbild des Vaters; seine Haut war etwas dunkler, seine Stirn höher, das Gesicht noch schärfer geschnitten. Aber auch in seiner Erscheinung drückte sich ein Widerspruch zwischen dem Knabenalter, in dem er sich befinden mußte, und dem unkindlichen Ernst und einem lässigen, sogar hochfahrenden Zug aus, mit dem er von anderen Menschen bewußt Abstand zu nehmen schien. Wie die Erscheinung, so war auch das Verhalten der beiden Dakota rätselhaft. Was konnte es für einen Grund geben, daß ein Krieger mit einem Knaben durch die Prärie ritt? Wollte der Vater den Jungen lehren, wie man jagte? Ein Dakota mitten in den Jagdgefilden der Siksikau? Knaben gehörten nicht in Feindesland, sie gehörten zu den Zelten und sammelten ihre Jagderfahrungen in den Jagdgründen des eigenen Stammes. So war es bei den Menschen und selbst bei allen räudigen Kojoten, die wie Menschen aussahen. Was für Absichten hatte übrigens dieser fremde Mann hier gegenüber den Siksikau? Wenn er als Feind kam, hätte er sich nicht offen zu zeigen brauchen oder schon aus der Entfernung schießen können. Er schien ja nicht ungewandt im Umgang mit seiner Waffe. Als Freund aber konnte ein Dakota nicht zu den Siksikau kommen.
    Hier stimmte etwas nicht. Nichts stimmte. Dieser Mann und sein Sohn waren so geheimnisvoll wie ihre Waffen.
    Am besten war es, die beiden rätselhaften Geschöpfe zu den Zelten, vor den Häuptling und vor den Zaubermann zu bringen. Mochten diese die Geheimnisse lösen. Es war nur die Frage, wie es von der nun einmal gegebenen Situation
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