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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer
Autoren: Wolf Serno
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nicht.« »Aber das musst du doch wissen!«
    »Nein.«
    Lapidius atmete tief durch. Er merkte, dass er für heute nicht mehr weiterkam. »Schön. Es mag genug sein. Morgen beginnt die Behandlung der Syphilis. Sie erfolgt in der Hitzkammer. Die einzelnen Schritte erkläre ich dir dann. Marthe wird dir für die Nacht eine Bettstatt zuweisen. Geh nun zu ihr in die Küche.«
    »Danke für das Essen.«
    »Schon recht. Gute Nacht.«
    Freyja Säckler stand auf und verschwand. Die Tür zur Küche schlug zu. Lapidius seufzte erleichtert. Seine Gedanken begannen abzuwandern und sich mit dem morgigen Versuch, dessen Anordnung er noch einmal überprüfen wollte, zu beschäftigen. Da öffnete die Tür sich wieder. Die Säckler war noch einmal zurückgekommen. »Ich weiß es wirklich nicht«, sagte sie.
    Lapidius runzelte die Stirn. »Was weißt du wirklich nicht?« »Ob ich mit einem aus Kirchrode was hatte.«
     
     
    ERSTER
BEHANDLUNGSTAG
    Lapidius hatte sein Haus ausschließlich nach praktischen Erwägungen eingerichtet. Deshalb befand sich sein Laboratorium im Erdgeschoss – in dem großen Raum mit den hellen Fenstern, der am meisten Platz bot. Hier forschte Lapidius. Hier ging er in seiner Arbeit auf. Hier war das Zentrum seines Lebens. Auch sein Bett stand hier, denn oftmals hatte er mitten in der Nacht einen Einfall, dessen Überprüfung nicht den geringsten Aufschub duldete.
    Hinter dem Labor, zum Hof hinaus, begann Marthes Reich. Da lagen Küche und Vorratsräume, ebenso wie ihre Kammer. Im Oberstock befanden sich weitere Räume, in denen einige schwere Möbel verwahrt wurden. Es handelte sich um Erbstücke, die Lapidius in Erinnerung an sein Elternhaus aufhob. Das Dachgeschoss schließlich war ein Ort, den er nur einmal betreten hatte. Altes Gerümpel vom ehemaligen Besitzer hatte er dort vorgefunden, kreuz und quer herumliegend, voller Staub und Spinnweben. Ein Anblick, den er nur schwerlich ertrug. Er hatte Marthe gebeten, Ordnung zu schaffen, sich umgedreht und gemacht, dass er die Stiegen wieder hinunterkam. Hinunter in sein Labor, wo alles seinen Platz hatte.
    Hier saß er j etzt zu früher Stunde, das Büchlein mit seinen Versuchsaufzeichnungen in der Hand. Es zeigte ihm nur allzu deutlich, dass er am gestrigen Tage nichts geschafft hatte. Der Grund hieß Freyja Säckler. Die junge Frau, die Syphilis hatte und der geholfen werden musste. Das gebot die Menschlichkeit. Trotzdem hoffte er, heute die Versuchsvariation VII in Angriff nehmen zu können. Er beschloss, kein Papier zu verschwenden und die Eintragung Montag, 11. einfach in Dienstag, 12. abzuändern, als plötzlich die Tür zur Küche aufgestoßen wurde und Freyja Säckler erschien. Lapidius seufzte unhörbar. Er hatte nicht so zeitig mit ihr gerechnet. »Guten Morgen. Du bist früh auf«, begrüßte er sie.
    Statt einer Antwort biss sie in ein Stück weißes Brot, das vor Honig troff. Ihr Blick ruhte auf seinen Apparaturen, in denen sich das erste Tageslicht spiegelte.
    Lapidius unterdrückte die Bemerkung, dass heute der erste Behandlungstag sei und sie deshalb keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen dürfe. Wenn alles so kam, wie er es voraussah, würde es schwer genug für sie werden.
    Marthe tauchte hinter der Frau auf, einen Topf Grießbrei in der Hand. »Habse geweckt, Herr, damitse was zu beißen kriegt. Sieht j a zu käsich aus, die Freyj a. Nachher sollse nochne Runde schlafen, habich gesacht. Is Euch doch recht, Herr, oder?«
    »Ja, äh … natürlich. Die Behandlung kann durchaus etwas später beginnen.«
    »Komisch, das mitter Behandlung. Wozu solldie überhaupt gut sein? Wassis das fürne Todeskrankheit? Freyja wills nich sagen. Naja, mir isses egal.« Marthes Blick verriet, dass dem keineswegs so war. »Wollt Ihr auch was?«
    »Bitte?«
    »Wollt Ihr auch Grießbrei? Er is lecker. Isn Rezept von meiner Mutter.«
    »Nein, ich habe schon etwas gegessen.«
    Marthe verschwand.
    »Die sehen hübsch aus.« Freyja deutete mit dem Brot auf die Apparaturen. »Wie Tiere aus Glas.«
    »Du bist eine gute Beobachterin.« Lapidius war angenehm überrascht. »In der Tat tun sie das, denn die Form der alchemistischen Geräte orientiert sich an der Natur. Man unterscheidet Bär, Schildkröte, Wildgans und andere. Dieser Kolben da mit den vielen Abzweigungen wird Hydra genannt.«
    Sie antwortete nicht, doch ihre Augen ruhten unverwandt auf den seltsamen Glasformen. »Das Figierglas dort wird auch als Strauß bezeichnet, wegen seines langen Halses.«
    »Strauß?
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