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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis
Autoren: Thea Dorn
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Ausfahrt passierte und sich langsam durch die schreiende und blitzende Horde schob, sondern mit dem Lächeln eines hohen Staatsgastes aus dem Fenster sah.
     
    Kyra riss das Lenkrad herum. Um ein Haar hätte der Streifenwagen sie gerammt, der aus dem Wildpfad in die Hagenstraße
geschossen war und sich blaulichternd in Richtung Innenstadt entfernte.
    Sie stieß einen wüsten Fluch aus. Wenn sie sich nicht täuschte, hatte sie an der hinteren Fensterscheibe das bleiche Gesicht der Chefredakteursgattin gesehen.
    Als sie um die Kurve bog, trat sie zum zweiten Mal in die Bremsen. Der gesamte untere Teil des Wildpfads war bereits zugeparkt. Vorsichtig manövrierte sie ihre Giulia zwischen zwei Ü-Wagen hindurch. Als kein weiteres Durchkommen mehr möglich war, stellte sie den Motor ab.
    Da sie den Alfa von ihrer Mutter geerbt hatte, ihre Mutter konsequente Cabriofahrerin gewesen war und heute eine der wenigen Nächte war, wo man in Berlin tatsächlich mit offenem Verdeck fahren konnte, hörte sie die Pfiffe und das Gegröle ihrer männlichen Kollegen, noch bevor sie ausgestiegen war.
    »Hey, Männer, da kommt die Rennmaus!«
    »Schon Scheiße, wenn man den BH nich zukriegt und deshalb zu spät am Tatort is.«
    »Party’s over, babe.«
    Allseitiges Gelächter begleitete Kyra, als sie die Wagentür zuschlug. Obwohl es ihr jedes Mal die Zornesröte ins Gesicht trieb, wenn sie erlebte, wie ihre Kollegen den stimmungsvollsten Tatort in eine Eckkneipe verwandelten, verkniff sie sich alle Kommentare. Sie war noch nicht dahintergekommen, ob die Platzhirsche sie anröhrten, weil sie die Sau vertreiben wollten, die in ihrem Revier wilderte, oder ob es ihre Art war, Brunft zu äußern. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem.
    Kyra ging auf einen vergleichsweise sympathisch wirkenden Kleiderschrank mit Baseballkappe zu und fragte knapp: »Hast du Freddy gesehen?«
    »Ich glaub, er war mitm Dieter irgendwo da hinten«, sagte der Kleiderschrank, grinste und zog seine Kappe tiefer ins Gesicht.

    Kyra schlug ihren Blazerkragen hoch und stapfte an dem Zaun entlang, der nach wie vor von Fotografen belagert war. Offensichtlich war doch nicht alles vorbei. Wenn die Aasgeier ausharrten, musste wenigstens noch die Leiche im Haus sein.
    Sämtliche Fenster der Villa waren hell erleuchtet. Hinter den zugezogenen Seidenstores sah man hier und dort einen Schatten vorbeihuschen. In der Auffahrt waren zwei große Scheinwerfer aufgestellt. Die ganze Szenerie hatte mehr von einem Filmset als von einem echten Tatort. Kyra ließ ihren Blick vom Haus weg durch den Park wandern. An einer großen Lärchengruppe blieb er hängen. Was für schöne alte Bäume. Die waren ihr schon damals, bei der schrecklichen Feier zu Konrads Sechzigstem, aufgefallen. Und noch etwas war mit diesen Bäumen gewesen. Irgendetwas. An das sie sich jetzt nicht erinnerte. Sie schüttelte sich und ging weiter.
    Es fiel ihr schwer zu glauben, dass Konrad ermordet worden war. Alle in der Zeitung waren sich einig gewesen, dass er den Reitertod auf einer Praktikantin sterben würde. Dass nun ausgerechnet seine blasse Gattin dem zuvorgekommen sein sollte? Ob sie ihn in flagranti erwischt hatte? Mit der neuen Blonden aus dem Politikteil?
    Lauter spannende Fragen. Aber wenn Kyra nicht für ewige Zeiten die Aufziehpuppe der Kompanie spielen wollte, musste sie sich jetzt erst einmal um eine andere Angelegenheit kümmern.
    Sie entdeckte Freddy zwei Straßenlaternen weiter. Obwohl er ihr den Rücken zukehrte, erkannte sie ihn sofort. Sein breites Kreuz lehnte am Laternenmast, sein ausrasierter Schweinenacken glänzte im Licht. Mit beiden Händen redete er auf einen Kerl in dunkelgrünem Wildlederblouson ein, in dem Kyra den Bild- oder BZ -Reporter vermutete.
    Unbeachtet schlenderte sie auf die beiden zu. Sie kam gerade rechtzeitig, um Freddy »Ey, Dieter«, sagen zu hören,
»die Mädels bei mir sind nur allererste Sahne. Komma vorbei, kannste dich selbst von überzeugen.« Sie sah, wie er seine Zunge in die Backe rammelte und dem Mann im Wildlederblouson kumpelhaft vor die Brust boxte. »Ick mach dir auch n Freundschaftspreis.«
    Kyra dachte nicht lange nach. Lange Nachdenken war in solchen Situationen immer verkehrt. Mit fröhlichem »Hi, Freddy« klopfte sie dem Informanten auf die Schulter, wartete, bis er ihr seine Frontseite zugewandt hatte, und ließ ihr rechtes Knie in die Höhe schnellen. Freddy entfuhr ein grober Schmerzenslaut. Mit beiden Händen fasste er sich ans Zentrum
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