Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis
Autoren: Thea Dorn
Vom Netzwerk:
Filme anschaut.«
    Heinrich Priesske lächelte unbeeindruckt zurück.
    »Zwanzig Jahre lang habe ich zugesehen, zwanzig Jahre
lang habe ich gekuscht, habe ich mir alles von ihm bieten lassen. Aber irgendwann einmal ist Schluss.« Der Zorn, der Erika Konrad Kraft gegeben hatte, war verpufft. »Irgendwann einmal ist Schluss«, echote sie leiser.
    »Und was haben Sie dann gemacht, als Schluss war?«
    Es dauerte eine Weile, bis sie weiterreden konnte. »Letzte Nacht - ich habe gehört, wie er im Wohnzimmer rumbrüllte, seine obszönen Kommentare abgab zu dem, was auf dem Bildschirm passierte.« Sie schluckte. »Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Ich bin aufgestanden. Auf der Treppe hörte ich, wie er besonders abstoßende Dinge brüllte. Ich hatte zu ihm ins Wohnzimmer gehen und den Fernseher ausmachen wollen, aber ich habe es nicht gekonnt.« Sie griff sich an den Hals. Ihre Finger zitterten. »Da bin ich in den Geräteschuppen gegangen, habe die Axt genommen und bin ins Haus zurück. Er saß immer noch vor dem Fernseher. Ich habe mich von hinten an ihn herangeschlichen und habe ihn erschlagen.« Sie faltete die Hände im Schoß.
    Heinrich Priesske erhob sich von seinem Stuhl und begann in dem fensterlosen Raum auf und ab zu gehen. Er warf dem zweiten Kommissar einen langen Blick zu.
    »Warum haben sie ihm den Kopf abgehackt?«
    Erika Konrad zuckte die Achseln. Sie wollte schlafen. Nur noch schlafen. »Ich weiß es nicht mehr«, sagte sie müde, »es ist plötzlich über mich gekommen.«
    Der Hauptkommissar war mit zehn schnellen Schritten bei ihr und packte sie am Oberarm. »Frau Konrad, warum haben Sie Ihrem Mann den Kopf abgehackt?« Er schüttelte sie wie ein ungezogenes Gör. »Und was haben Sie anschließend mit dem Kopf gemacht?«
    Der zweite Kommissar stieß sich von der Wand ab. »Ich bitte Sie, Chef«, sagte er leise.
    Der Vorgesetzte schüttelte Erika Konrad noch einmal und ließ sie los. Verwirrt blinzelte sie zwischen ihm und ihrem gequetschten Oberarm hin und her. »Ich - ich habe ihn weggeworfen.
« Sie fasste sich mit beiden Händen an die Schläfen. Das Zimmer begann sich zu drehen. Zu drehen um diese kalten unbarmherzigen Augen, mit denen der Mann sie anstarrte. Diese Augen waren tot. Diese Augen gab es nicht mehr.
    Langsam stand sie auf. Der Hauptkommissar hatte keine Mühe, ihre Hand mit den ausgekrallten Fingern vor seinem Gesicht abzufangen.
    »Weg«, murmelte sie, während zwei Beamte in Uniform sich auf sie stürzten, ihr Handschellen anlegten und sie abführten, »weg mit diesen Augen!«

    Der Glöckner von Notre-Dame war schiere Eleganz im Vergleich zu Kyra, die sich die Wendeltreppe im Polizeipräsidium hochschleppte.
    Um kurz nach zehn war sie aufgewacht, hatte einige Minuten gebraucht, um sich davon zu überzeugen, dass die einzelnen Schmerzklumpen, die unter ihrer Decke lagen, tatsächlich ihr Körper waren, hatte noch im Bett nach dem Telefon gegriffen und im Polizeipräsidium angerufen. Wo sie die alarmierende Nachricht erhalten hatte, dass in der Mordsache Konrad eine Pressekonferenz für elf Uhr anberaumt worden war.
    Als sie den dritten Stock erreichte, sah sie die Meute bereits auf den Gang hinaus stehen. Sie konnte nicht hören, ob die Konferenz schon begonnen hatte. Der lässigen Haltung nach zu urteilen, in der die meisten Kollegen dort standen und miteinander plauderten, hatte sich noch nichts getan.
    Sie reckte schützend ihre Ellenbogen und begann, sich durch die Menge hindurchzuschieben. Der Schutz ihrer geprellten Rippen nahm sie so in Anspruch, dass sie erst nach einer Weile merkte, dass etwas anders war als sonst. Keiner
der Zeitungsjungs machte sie an. Im Gegenteil. Alle wandten sich von ihr ab und schwiegen.
    Bei ihrem überstürzten Aufbruch hatte sie keine Zeit gehabt, in den Spiegel zu schauen. Entweder sah sie heute Morgen so schlimm aus, dass es selbst den Boulevardhyänen die Sprache verschlug, oder diese besaßen doch noch einen letzten Funken Anstand, der ihnen ihre dämlichen Sprüche verbat.
    Ohne größere Rempeleien gelang es ihr, sich in den Raum vorzuarbeiten. Wie vorherzusehen, waren alle Sitzplätze belegt. Kyra überlegte nicht lange und sprach denjenigen an, der in der hintersten Reihe ganz außen saß. »Morgen. Was hältst du davon, einer werdenden Mutter den Platz zu überlassen?«
    Der Mann warf ihr einen kurzen Blick zu und schwieg.
    »Arschloch.« Kyra drängte sich zur nächsten Reihe vor. »Hey. Heute schon Kavalier gespielt?«
    Der Angesprochene
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher