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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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in Gedanken betrat, eine Welt, die aus Erinnerungen bestand, aus vielfältigen Eindrücken, die er im Lauf seines langen Lebens gesammelt hatte – und aus den Ahnungen dessen, was gerade andernorts geschah, oder vielleicht auch erst geschehen würde. Er glitt über eine sonnendurchflutete Lichtung hinweg, spürte die Wärme so angenehm auf seiner Haut, wie das auch früher gewesen war, bevor die schlimme Hitze gekommen war und das Land versengt hatte. Seine Körperempfindungen waren die eines jungen Mannes, leicht und befreit, und seine Augen schienen wieder in der Lage zu sein, die ganze Farbenvielfalt einzufangen, die ihn umgab. So ist das also, wenn man jung ist , dachte er erstaunt …
    Er spürte, wie ihn ein Luftzug erfasste und ein Stück hochtrieb, und er musste sich zusammenreißen, um sich nicht ganz diesem wunderbar schwebenden Gefühl zu ergeben. Es war nicht das erste Mal, dass ihn ein Trancezustand weit weg entführte und auf eine Reise mitnahm, von der er am liebsten nicht mehr in die Wirklichkeit zurückgekehrt wäre.
    Aber diesmal war es anders. Auf der einen Seite lockte da die Leichtigkeit, die ihn in unbekannte, verlockende Gefilde mit sich nehmen wollte, und auf der anderen Seite gab es etwas Düsteres, das wie eine dunkle Gewitterwolke an seiner Wahrnehmung zerrte.
    Er konzentrierte sich auf seine Atmung, auf das ruhige Ein und Aus, gleichmäßig und befreit von allen anderen Gedanken – und sank langsam wieder hinab. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die unmittelbare Umgebung … und plötzlich wurde sein Atem flach und hektisch, seine Kehle verkrampfte sich schmerzhaft …
    Er kam so hart auf dem Boden auf, dass seine Gelenke knackten. Sein tatsächliches Alter hatte ihn wieder eingefangen, und mit ihm das Gebrechen und all die kleineren und größeren Einschränkungen, die es mit sich brachte. Es war ein fürchterliches Gefühl, sich nach der Befreiung nun wieder uralt zu fühlen, und es war nicht nur der hämmernde Schmerz in seinem Kopf und die schmerzenden Knie, die ihn gemahnten, vorsichtig zu sein, sondern auch das Wissen, dass er sich nicht übernehmen durfte, wollte er nicht einen Zusammenbruch herausfordern.
    Es war die Gestalt, die am Rande der Lichtung stand, und fast mit dem Waldrand verschmolz. Ein Mädchen, oder vielmehr eine junge Frau, eine Gestalt, die sich nicht wirklich mit Blicken einfangen ließ, und andererseits doch so überaus gegenwärtig war, dass er ihre körperliche Anwesenheit wie eine düstere Ausstrahlung spürte. Zakaan wusste, dass er sich nicht wirklich hier befand, sondern körperlos in diese andere Zwischenwelt hinübergeglitten war, wie in einem düsteren Traum, der den Schlaf zur Qual werden lassen konnte.
    Die Gestalt schien einen Schritt vorzutreten, das Licht floh vor ihr, und gleichzeitig wirkte es, als verschmelze die Gestalt noch mehr mit dem Wald, und das alles geschah gleichzeitig, unfassbar selbst für ihn, der sich schon so oft im Land der Schatten befunden hatte.
    »Wer bist du?«, fragte er, oder vielmehr: Er dachte es, allerdings auf eine so kraftvolle Art, dass seine Gedanken wie ein Luftzug von ihm wegströmten und Grashalme und Blumen zum Erzittern brachten.
    »Das weißt du«, antwortete die Gestalt. »Und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, wirst du feststellen, dass du das schon immer gewusst hast. Selbst damals, als du noch zu jung warst, um einen Krug aufzuheben und zu begreifen, dass die Welt um dich herum aus mehr besteht als nur aus dem, was dir deine Augen zeigen und was deine Ohren an dich herantragen.«
    Ihre Stimme klang mädchenhaft zart, und doch gewaltig. Das konnte doch nicht sein … der Verdacht, der sich in Zakaan regte, war so schrecklich, dass er ihn gleich wieder wegschob.
    »Du suchst mich«, fuhr die mädchenhafte Gestalt fort. »Und du hattest mich sogar damals schon gesucht.«
    Zakaan zögerte. Es war die Wahrheit, die er suchte, und das Land seiner Ahnen. Es waren fruchtbare Felder, die er suchte, Gewässer, die sie mit frischem Wasser und mit Fischen versorgten, Wiesen, auf denen sie Schafe und Rinder grasen lassen konnten. Es war ein einfaches sesshaftes Leben, das er suchte, nicht für sich, sondern für sein Volk: für die Kinder, die hoffentlich in großer Zahl geboren wurden, sobald sie erst einmal wieder sesshaft geworden waren.
    Doch das alles hatte nichts mit der Gestalt zu tun, die ihm jetzt gegenüberstand. Sie meinte etwas anderes.
    »Ich habe dich vielleicht gefunden«, sagte Zakaan. »Aber ich
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