Die Hexenjagd
vergessen, wie Jeffrey Lovejoy beim Schulball im letzten Jahr tot im Heizungskeller baumelte? Möchtest du auch so enden, Faye?«
Erst jetzt bemerkte Cassie, dass sie immer lauter geworden war und zuletzt sogar gebrüllt hatte. Sie spürte die Hitze auf ihrem Gesicht und ihrem Hals und wie ihr die Schweißperlen auf der Stirn standen.
Vollkommen verblüfft von Cassies Ausbruch, schwieg Faye. Laurel wich erstaunt ein paar Schritte zurück.
Cassie ballte die Hände zu Fäusten. Als sie sie wieder entspannte, kribbelten die Brandwunden auf ihrer Haut.
»Cassie hat recht«, erklärte Laurel nach einem Moment der Stille. »Vergessen wir den blöden Ball. Wir werden hier rumhängen und uns einen Film ansehen. Du darfst dir einen aussuchen.«
Faye nickte nur, und das war mehr, als Cassie ihr zugetraut hätte. Normalerweise gab Faye nicht so leicht nach. Cassie atmete dankbar auf.
»Tut mir leid«, sagte Cassie betont ruhig. »Ich wollte dich nicht so anfahren.«
Ohne Cassie eines Blickes zu würdigen, drehte Faye sich abrupt um, kehrte zu ihrem Koffer zurück und packte weiter aus.
»Faye«, sagte Cassie noch sanfter. »Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich denke, ich bin einfach nervös wegen all der Dinge, die passiert sind.«
Es war das Äußerste, was sie Faye an versöhnlichen Worten bieten konnte, aber Faye ging nicht darauf ein.
»Ist schon okay, Cassie«, beschwichtigte Laurel, die inzwischen auch ihren Koffer geöffnet hatte und ihre Sachen ordentlich auf die Ankleidekommode legte. »Im Augenblick sind wir alle nicht wir selbst.«
Faye gab einige Spritzer Parfüm auf Hals und Handgelenke und rieb die Handgelenke dann aneinander. »Also, mir geht’s gut«, stellte sie fest, während sich der Duft ihres Parfüms im ganzen Raum ausbreitete. »Sogar bestens, um genau zu sein. Im Gegensatz zu anderen habe ich mich vollkommen im Griff.«
Endlich sah sie Cassie stirnrunzelnd an, als überlege sie, ob sie weiter streiten solle oder nicht.
»Du bist wahrscheinlich einfach stärker als ich«, entgegnete Cassie. Sie wusste, dass es das letzte und vermutlich einzige Mittel war, um Faye zu besänftigen.
Und es klappte. Nach einigen Sekunden glättete sich Fayes Stirn. »Schön, dass du’s endlich einsiehst«, erwiderte sie.
Dann ging sie zu dem gusseisernen Bett, öffnete ihren Laptop und fragte: »Kommen wir hier unten wenigstens ins Internet?«
Cassie lächelte. »Das lässt sich regeln.« Und damit schien ihr Ausbruch endgültig verziehen.
Kapitel Sechs
»Ich weiß, wir wollten heute Abend allein sein, aber Raj hat in letzter Zeit schwer unter der ständigen Trennung von mir gelitten.« Adam stand mit einem Pizzakarton in der einen und der Hundeleine in der anderen Hand auf Cassies Türschwelle.
»Schon okay.« Cassie beugte sich vor, um den Hund zu tätscheln. »Mit Jekyll und Hyde im Keller sind wir ohnehin nicht ganz allein. Aber wenigstens kann Raj mich nicht wie ein Hausmädchen herumkommandieren.«
Adam sah sie bedauernd an. »Ist es schon so schlimm?«, fragte er mit Blick in Richtung Keller.
»Sagen wir mal so, ich würde diese Pizza gern irgendwo anders verspeisen.«
»Wie wär’s mit einem Picknick auf der Klippe? Wäre das nicht eine gute Idee?« Mit diesen Worten zog Adam an Rajs Leine, und der Hund wedelte so aufgeregt mit dem Schwanz, dass Adam ihn kaum halten konnte.
Cassie angelte sich eine Jacke und folgte Adam erleichtert nach draußen. Es war zwar unmöglich, dass Faye und Laurel sie hörten, aber Cassie konnte sich trotzdem nicht dazu durchringen, Adam von ihrem Albtraum oder dem Band zu Scarlett zu erzählen, solange ihre Freundinnen in der Nähe waren. Ein vertrauliches Gespräch draußen auf der Klippe war da genau das Richtige.
Adam führte Raj an der Leine, während er und Cassie Arm in Arm durch die Crowhaven Road schlenderten und den schönen Abend genossen. Zusammen mit Adam fühlte sich Cassie sicher und beschützt, dennoch behielt sie die Umgebung im Auge, erfasste jeden Baum und jeden Schatten, beobachtete jede Bewegung und jedes Geräusch. Hinter jedem der vielen schiefen Briefkästen oder Laternenpfähle konnte Scarlett oder ein Jäger lauern.
Friedlich, wie eine einsame Festung, lag die Klippe da. Doch die Stille, die Cassie normalerweise mit Gelassenheit erfüllte, jagte ihr heute einen Schauder über den Rücken. Am liebsten hätte sie so laut wie möglich geschrien, um die Stille zu zerstören.
Adam befahl Raj, sich hinzulegen, dann klappte er den
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