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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman
Autoren: Heyne
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aus.
    »Was ist eigentlich aus dem jungen Mann geworden, der eine Zeit lang bei Ihren Eltern wohnte? Lucas … Lionel … Lambert …« Gress verzog das Gesicht. »Wieso komme ich denn jetzt nicht auf den Namen?«
    Zu viel Schnaps?, dachte Ravenna. Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, wen Sie meinen. Vielleicht einer von Yvonnes Freunden? Sie kennt so viele Leute, da steige selbst ich nicht immer durch.«
    Gress kratzte sich am Hinterkopf. »Vermutlich. Das wird es sein. Grüßen Sie Gil und Anna von mir.«
    »Mach ich«, rief Ravenna. Die Stufen knarrten unter Gress’ Schritten. Sie streckte den Kopf über das Geländer und sah zu, wie der Kommissar nach unten stieg.
    »Lambert! Wieso ausgerechnet Lambert? Fällt ihm denn nichts Besseres ein? Lambert ist ein Stiefelknecht mit Bart.«
    Ravenna hatte nicht gehört, wie Lucian sich hinter sie schlich, doch sie musste fast laut losprusten, als er ihr die Worte ins Ohr zischte. Seine Empörung war nicht gespielt. Er lehnte sich über sie, während er Gress’ Weg nach unten verfolgte. Kichernd legte sie ihm die Hand über den Mund und schob ihn zurück in die Wohnung. Auf der Schwelle bückte sie sich und nahm die Zeitung. Ein dreifarbiger Prospekt fiel heraus. Sie hob ihn auf. »Gib zu, dass du nachgeholfen hast, damit Gress dich gründlich vergisst. Von wegen, ihr Ritter beherrscht keine Magie.«
    Barfuß ging Lucian durch den Flur. Als Ravenna ihn hartnäckig verfolgte, blieb er stehen und seufzte. »Also schön, ich gebe zu, ich habe nachgeholfen. Aber nur, um keinen Ärger zu bekommen. Marvin kennt da einen Trank, von dem zwei Tropfen genügen, damit jemand vergisst, was er gerade gesehen hat. Ziemlich praktisch bei Torwächtern und misstrauischen Schankwirten.«
    »Dachte ich doch. Der Fuchs und die Glut.« Schwungvoll warf sie die Zeitung auf die Kommode. Dabei fiel ihr Blick wieder auf den Prospekt. Nachdenklich drehte sie das Blättchen hin und her. »Jetzt sieh dir das an: Die Nationalbibliothek veranstaltet eine Ausstellung zum Thema Hexen – Magie und Tradition. Uralte Exponate werden zu sehen sein, unter anderem … das hier.« Mit spitzen Fingern klapp te sie den Flyer auf und deutete auf eine Abbildung. Es war die historische Handschrift, das Dokument aus dem Schaukasten, auf dem die Sieben zu sehen waren: Bunt gekleidete Hexen standen im Kreis und die Göttin saß in der Mitte. Morrigan sah wie eine Matrone aus.
    Verwundert schüttelte Ravenna den Kopf. »Das ist wirklich seltsam«, murmelte sie. »Ich bin mir sicher, das Buch wurde bei dem Brand vernichtet.«
    Mit dem Kopf nickte Lucian zur Tür. »Dieser Gress«, sagte er, während er ein dunkelgraues Sweatshirt von der Stuhllehne nahm und die Ärmel über die Unterarme streifte. »Dieser Gress hätte das Feuer doch bestimmt erwähnt. Er hätte Fragen gestellt, weil Eure Schwester in diesem Palast gearbeitet hat. Dass er nichts gesagt hat, kann nur eines bedeuten.« Er hob die Arme, zog den Sweater über den Kopf und konnte für einen Augenblick nicht weitersprechen.
    »Du meinst, den Brand hat es gar nicht gegeben?«, vervollständigte Ravenna seinen Satz.
    Lucian wischte sich das Haar aus der Stirn. Auf der Vorderseite zeigte sein Pulli ein kleines Steinmetzzeichen: einen umgedrehten Spaltfuß.
    »Es könnte doch sein. Ihr sagtet einmal, durch die Magie der Tore könnten wir die Vergangenheit ändern und dann würden gewisse, schlimme Dinge nie geschehen. Wie die Hexenverbrennungen zum Beispiel. Ihr habt das Siegel in den Kreis der Sieben zurückgebracht und Beliar gebannt. Vielleicht haben wir den Lauf der Dinge in eine andere Bahn gelenkt.«
    »Drei der Fürsten sind entkommen«, widersprach Ravenna. Und eine davon war meine Schwester, setzte sie stumm hinzu. Bei diesem Gedanken verkrampfte sich ihr Magen.
    »Aber nicht für immer«, murmelte Lucian. »Nichts ist für die Ewigkeit, das habt Ihr selbst gesagt.« Er nahm ihr den Flyer aus der Hand und blätterte darin herum. »Magie und Tradition. Das klingt nicht so, als würde man Zauberinnen in Eurer Zeit verabscheuen oder gar töten wollen. Und hier: Die Mystikerinnen vom Odilienberg.« Mit dem Finger fuhr er an der Überschrift entlang. Das Lesen der modernen, gedruckten Buchstaben fiel ihm schwer.
    Ungläubig schüttelte Ravenna den Kopf. Tormagie und Siegelzauber – sie hatten Geschichte geschrieben und niemand wusste etwas davon. Es war ein seltsamer Gedanke, doch je länger sie darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr die
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