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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Autoren: Astrid Fritz
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gebracht. Infolge des ewigen Sitzens und Liegens auf der durchgedrückten Strohschütte waren ihre Beine taub geworden, und sie schwankte, als sie den Schöffen und Doktor Textor gegenübertrat. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte sie das Nachdenken und Grübeln so gut wie aufgegeben, hatte die Zeit in einem dumpfen Dämmerzustand verbracht, nur geplagt durch solche Nöte wie Hunger, Durst und den Gestank ihrer eigenen Exkremente, die sie, soweit dies mit den kurzen Ketten überhaupt möglich war, möglichst an den Rand ihrer Liegestatt zu platzieren versuchte. Ihr Rock war befleckt, die Haare verklebt von Stroh, Staub und dem Schweiß ihrer Angstträume.
    Als sie so vor den Richtern stand, stieg ihr die Schamröte ins Gesicht. Was mache ich nur für einen Eindruck, so stinkend und verdreckt, dachte sie. Bin ich noch Catharina Stadellmenin?
    Textor räusperte sich.
    «Warum vermeint Ihr hierher geführt worden zu sein?»
    «Ich soll wohl eine Unholdin sein, doch man hat mich fälschlich angegeben.» Die eigenen Worte klangen ihr fremd in den Ohren. Wie hatte sie nur in diese Lage geraten können?
    «Könnt Ihr lesen und schreiben?»
    «Ja, Euer Ehren.»
    «Habt Ihr Euch in einem Vertrag dem Teufel verschrieben?»
    «Nein, ich bin unschuldig.»
    «Wann habt Ihr Euch dem bösen Feind ergeben?»
    «Ich hatte niemals etwas mit ihm zu schaffen, auch nicht mit anderen Hexen.»
    «In welcher Gestalt ist Euch der Teufel erschienen?»
    «Ich bin unschuldig, so glaubt mir doch. Ich habe mein Lebtag niemals etwas mit Zauberei zu tun gehabt, weder mit guter noch mit böser.»
    «Besser, Ihr gesteht aus freiem Willen. Sonst müssen wir unsere Zeugen aufführen und Euch den Henker zur Seite stellen.»
    «Und wenn es tausend Zeugen gäbe!», rief sie verzweifelt. «Ich habe ein reines Gewissen. Ich bin keine Hexe! Was kann ich nur tun, um meine Unschuld zu beweisen?»
    Textor sah sie müde an.
    «Würdet Ihr Eure Unschuld auch unter der Folter beteuern?»
    Schwindel erfasste Catharina. Was wollte man von ihr? Wieso sollte sie etwas gestehen, das sie nicht begangen hatte?
    «Ich habe Gott niemals verleugnet», sagte sie leise. «Und ich würde es auch unter der größten Marter nicht tun. Und wenn Ihr mir nicht glauben wollt, so will ich um Christi Qualen willen auch den Tod erleiden.»
    August Wimmerlin schrieb dienstbeflissen jedes Wort mit. Hart kratzte die Feder auf dem Papier. Textor räusperte sich erneut.
    «Bringt sie heute Nachmittag zur Verbalterrition in den Christoffelsturm», sagte er zu dem Wärter und verließ mit den Schöffen und einem verächtlich dreinblickenden Wimmerlin im Schlepptau den Raum.
    Jetzt erst bemerkte Catharina, dass ein neuer Wärter sie zurückführte. Er war noch jung, seine Gesichtszüge grob und wettergegerbt, aber nicht unleidlich anzusehen. Das Mitleid stand ihm in den Augen. Etwas schien in seinem Kopf vorzugehen, doch er schwieg.
    Sie ließ sich auf das feuchte Stroh sinken. Seit ihrer Verhaftung hatte sie nichts als hartes Brot und Wasser zu sich genommen, doch jetzt war ihr so übel, dass sie die zarteste Hühnerbrust ausspeien würde. Was war eine Verbalterrition? Von Anselms wenigen lateinischen Brocken war ihr im Kopf geblieben, dass ‹verbal› etwas mit Worten zu tun hatte, also nicht bedrohlich war. Woher kam dann diese plötzliche Angst? Langsam begriff sie: Gleichgültig, wie unschuldig sie war, sie würde dem, was jetzt Schritt für Schritt folgte, nicht entkommen können. Der Ablauf der Inquisition war vorgegeben wie das Aufeinanderfolgen der Jahreszeiten.
    Hoffnungslos wartete sie darauf, abgeholt zu werden. Jede Faser ihrer Muskeln war angespannt. Fast erleichtert richtete sie sich auf, als gegen Abend der junge Wärter erschien.
    «Holt Ihr mich jetzt?»
    Der Wärter schüttelte den Kopf und reichte ihr einen Becher mit brackigem Wasser. Sie trank in kleinen Schlucken, während der Mann sie beobachtete.
    «Ihr seid aus Lehen, nicht wahr?», fragte er, als er den leeren Becher entgegennahm.
    Sie sah ihn ungläubig an. Ihr war, als würde zum ersten Mal seit Wochen ein Mensch freundlich mit ihr sprechen.
    «Kennt Ihr mich?»
    «Nicht persönlich. Ich bin im Nachbarhaus von Hieronymus aufgewachsen, dem Sohn der Heißlerin. Sie hat viel von Euch erzählt.»
    Catharina schloss die Augen. Ein warmer Frühlingstag, die Bauersfrau lag stöhnend am Wegesrand, Christoph ihr zur Seite. Christoph, ein hochgeschossener Junge, der von Anfang an ihr Herz besessen hatte.
    Von weit
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