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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Autoren: Astrid Fritz
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dicke Ursel, die Tochter vom Sattler.»
    Auf Ursels Schoß saß ein Mann, den Catharina nur vom Sehen kannte. Er hatte eine Hand in ihr offenes Leibchen geschoben, mit der anderen hielt er einen Krug Bier an ihre Lippen. Dann küsste er sie. Daneben hockte der Metzgerlehrling mit dem Kopf auf der Tischplatte, offensichtlich völlig betrunken, und ein Mädchen goss ihm Wasser oder Wein über den Kragen.
    Catharina stand wie gebannt. Da schien das halbe Dorf zusammengekommen zu sein. Fast gleichzeitig entdeckten sie ihre Hausmagd. Laut singend saß sie auf einem Tisch, vor ihr kniete ein Mann, den sie nicht erkennen konnten, da er seinen Kopf unter ihren weiten Rock geschoben hatte, und neben ihr stand der älteste Sohn ihres Nachbarn und versuchte, ihr Ohr zu küssen. Nur wenige Mädchen hatten noch ihr Näh- und Flickzeug vor sich liegen. Hin und wieder kam der alte Müller, brachte frisches Bier und klatschte einem Mädchen auf den Hintern.
    «Los, ich zeig dir noch was. Hinter der Mühle liegen die Paare nur so aufeinander herum.»
    Aber Catharina hatte genug, sie fror und war müde. Auf dem Heimweg fragte sie, ob Christoph auch schon in der Spinnstube gewesen sei. Lene konnte das zwar nicht mit Sicherheit verneinen, aber sie glaubte es nicht. Ihr Bruder habe mit solchen Sachen wohl nicht viel im Sinn. Catharina freute sich über diese Antwort. Zu albern war ihr das Treiben im Müllerhaus vorgekommen.

    Seit jenem Zusammenstoß mit ihrem Stiefbruder Johann hatte Catharina keine einzige Nacht mehr in ihrem Elternhaus verbracht. Ihre Besuche wurden noch seltener und kürzer. Zwar hatte ihr Vater, wie versprochen, am selben Abend mit Johann geredet, und Hiltrud und er waren übereingekommen, ihn auf die städtische Lateinschule zu schicken – Catharina wusste, dass Hiltrud ihren Ältesten für sehr begabt hielt und sich daher weigerte, ihn in die Lehre zu geben –, aber das war wohl gerade das Falsche gewesen. Johann kam nun nächtelang nicht heim, trieb sich, was für Schüler streng verboten war, in Schenken herum, und wenn er zu Hause war, sprach er mit niemandem ein Wort oder war betrunken. Catharina wurde zufällig Zeuge, als eines Tages der Schulmeister ins Haus ihres Vaters platzte und klagte, dass der Junge für seine Schule nicht mehr tragbar sei, er habe einen sehr schlechten Einfluss auf die anderen Schüler.
    «Er hat keine Disziplin und keine Moral. Davon abgesehen ist er, verzeiht, wenn ich das so offen sage, auch nicht gerade der Hellste. Der gute alte Donatus, der einfachste aller Grammatiker, scheint ihm Chinesisch rückwärts zu sein. Ich verwette meinen Talar, dass Euer Sohn nicht einmal die Quarta schafft!»
    Hiltrud verteidigte ihren Sohn und warf dem Schulmeister vor, dass er sich für das hohe Schulgeld, das sie bezahle, ganz offensichtlich nicht genug Mühe gebe. Sie einigten sich schließlich, nachdem ihm Hiltrud ein paar Gulden monatlich «ganz zu seiner eigenen Verfügung» versprochen hatte. An Johanns Verhalten änderte das selbstredend keinen Deut. Catharina war es vollkommen einerlei, was aus Johann wurde, ihr einziges Bestreben war, ihm aus dem Weg zu gehen. Fast hatte sie vergessen, dass er im Hause ihres Vaters wohnte, als er ihr an einem nebligen Herbstnachmittag auflauerte.
    Sie war mit Lene in der Stadt gewesen, um Salz und Gewürze zu kaufen, und hatte anschließend noch bei ihrem Vater vorbeigesehen. Es war spät geworden, die Tore würden bald schließen, und Lene wartete sicher schon ungeduldig am Fischbrunnen auf sie. Eilig überquerte Catharina den Gewerbekanal vor ihrem Elternhaus, als sich aus dem düsteren Gemäuer des Augustinerklosters eine Gestalt löste und ihr den Weg versperrte.
    «Aha, mein Schwesterchen hat uns wieder besucht. Wie schade, dass ich nicht zu Hause war.»
    Ein Grinsen breitete sich auf Johanns Gesicht aus, als Catharina ängstlich zurückwich. Breitbeinig folgte er ihr, die Arme auf ihren Hüften, sein Atem stank nach Schnaps. Als eine Gruppe Mönche aus dem Tor trat, ließ er von ihr ab.
    «Eines Tages packe ich dich, dass dir Hören und Sehen vergeht», zischte er und spuckte vor ihr aus. Dann ging er mit schwankenden Schritten nach Hause. Catharinas Knie zitterten. In diesem Moment hätte sie alles darum gegeben, Johann für immer aus ihrem Leben zu verbannen.

    Natürlich stammte dieser dumme Einfall mit dem Verwünschen von mir, eine alberne Kinderei, von der ich nie gedacht hätte, dass Catharina sie ernst nehmen würde. Ich möchte
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