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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Autoren: Astrid Fritz
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wusste, dass dies als Auszeichnung anzusehen war, denn das Herumschleichen im Wald der Lehener Herrschaft galt unter den Buben als Mutprobe. Mehr als einmal mussten sie sich in letzter Minute vor den Steinwürfen des aufgebrachten Waldhüters in Sicherheit bringen, außer Atem, Hand in Hand, mit prall gefülltem Beutel.
    Lene sah sie tagsüber selten, da ihre Base für die Hausarbeit zuständig war: Sie musste sich um die Zwillinge kümmern und erledigte die Putz- und Flickarbeit, die Catharina verabscheute. Gott sei Dank hatte sie damit nichts zu tun. Abends lagen sie dann im Bett und tratschten wie die Marktweiber. Beinahe über jeden Gast konnte Lene eine Geschichte erzählen, wobei sich Catharina manchmal fragte, ob ihre Base es mit der Wahrheit so genau nahm.
    «Stimmt das mit dem Freiherrn von Lehen?», fragte Catharina und zog sich die Bettdecke über die Schultern, als ob sie fröstelte. Sie war dem Gutsherrn einige Male in seinem eleganten Zweispänner begegnet. Die Leute im Dorf fürchteten ihn: Er sei jähzornig und habe oft üble Einfälle, um zu seinem Recht zu kommen.
    «Was meinst du?»
    «Dass er Mädchen entführt.»
    Lene lachte laut auf.
    «Mir macht er keine Angst. Ich musste einmal hinübergehen, um ihm einen eingelegten Hasen zu bringen. Da hat er mir übers Haar gestrichen und gesagt, ich sei ein schönes Mädchen. Aber seine Hände haben so gezittert, dass er nicht einmal eine Maus hätte festhalten können. Er ist alt und faltig wie eine getrocknete Zwetschge. Weißt du, was ich glaube? Manche Mädchen gehen freiwillig zu ihm, weil sie denken, wenn er ihnen erst ein Kind gemacht hat, können sie es sich gut gehen lassen.»
    Wenn Lene so daherredete, bewunderte Catharina sie und kam sich so viel jünger und einfältiger vor als ihre Base. Vielleicht lag es daran, dass sie keine Geschwister hatte und nur mit ihrem Vater aufgewachsen war, denn sie verstand so wenig von diesen Dingen. Bei ihren ersten Gesprächen tat sie so, als seien ihr Lenes Erklärungen vollkommen einsichtig. Mit wachsender Vertrautheit aber fragte sie nach: Wieso gehen manche Mädchen zum Gutsherrn? Was passiert dann? Wieso ist die Hausmagd neulich so erschrocken, als sie ihr abends im Stall begegnete? Was passiert da drüben beim Schmied, wenn nachts trunkenes Gelächter herüberschallt?
    Und Catharina erfuhr nach und nach, dass sich die Vorgänge, die sie von klein auf bei Tieren beobachtet hatte, recht einfach auf die Menschen übertragen ließen. Ein wenig war sie darüber enttäuscht.
    Einmal – Catharina war schon fast eingeschlafen – fragte Lene: «Sag mal, kennst du die Spinnstube?»
    Catharina schüttelte den Kopf.
    «Das ist die Stube beim dicken Müller. Immer von Erntedank an treffen sich dort die ledigen Frauen abends zum Arbeiten. Sie spinnen und stricken und nähen dort den Winter über, um bei sich zu Hause Holz und Licht zu sparen. Dem alten Müller geht es ganz gut dabei, denn Essen und Trinken lässt er sich bezahlen. Und hübsche Mädchen hat er auch um sich.»
    «Woher haben die Mädchen das Geld, Essen und Trinken zu bezahlen?»
    Lene lachte.
    «Das bezahlen doch nicht die Mädchen. Am späten Abend kommen die Burschen aus dem Dorf und singen und trinken mit ihnen. Und nicht nur das. Komm, ich zeig’s dir.»
    Catharina verspürte wenig Lust, aus dem warmen Bett aufzustehen, aber wie immer siegte ihre Neugier. Sie zogen sich schnell an. Da in der Küche Marthe und Christoph über den Haushaltsbüchern saßen, mussten sie aus dem Fenster steigen. Leise schlichen sie durch den Obstgarten, überquerten die Landstraße und gingen am Dorfbach entlang bis zum Müller’schen Hof. Im Erdgeschoss waren die Läden verschlossen.
    «Wir müssen in den Hinterhof, da ist ein Fenster offen.»
    Sie kletterten eine Mauer hoch. Unter ihnen funkelten die Augen eines zottigen Hundes, der sie anknurrte.
    «Das ist Michel, der kennt mich», flüsterte Lene, sprang in den Hof und tätschelte dem Hund den Kopf.
    Aus dem Fenster drang lautes Singen und Lachen. Sie blickten in einen großen Saal, von ein paar Öllampen eher spärlich erleuchtet. Auf den ersten Blick war kaum zu erkennen, wer die Burschen, wer die Mädchen waren, denn alle saßen oder standen dicht beieinander. Da begannen Fidel und Sackpfeife aufzuspielen, mehr laut als melodisch, und sofort hatten sich zahlreiche Paare gefunden und wirbelten in schnellem Rhythmus im Kreis, dass die Röcke nur so flogen.
    Lene stieß sie an. «Schau mal, da in der Ecke, die
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