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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helga Glaesener
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war ein Handwerker des Todes, in diesem Moment wurde es offenbar. Es gab ein leises Knacken, als er der Hexe das Genick brach.

   s war zwei Wochen später und ein Tag vor Weihnachten. Julius betrat leise das Zimmer, in dem Sophie sich eingerichtet hatte. Es befand sich in der Vorburg, nicht im Wohnturm oder dem Palas. Diese Gebäude zu betreten hatte sie sich entschieden geweigert. Er musste lächeln, als er sie vor der Kinderwiege sitzen sah. Wie weich ihr Gesicht war, nun, da sie sich nicht mehr vor der Hexe fürchten musste und ihren mütterlichen Gefühlen freie Bahn lassen konnte. Sie stupste Henriette mit einer kleinen Stoffpuppe an.
    »Ein Segen, dass Dirk misstrauisch war und der Kleinen rechtzeitig zu Hilfe kam«, meinte Julius impulsiv.
    Sophie hob den Kopf. »Wieso hat Edith wohl nicht gewartet, bis alles vorüber war? Wieso hat sie Eva zur Wiege hinaufgeschickt? Sie hätte später immer noch Zeit gefunden, Henriette sterben zu lassen.«
    »Ich denke, sie wurde so kurz vor dem Ziel kopflos vor Ungeduld. Sie wollte, dass endlich alles so war, wie sie es sich wünschte. Ihre Pläne hatten sich schon zu lange hingezogen. Außerdem wäre das gesamte Burggesinde Zeuge gewesen, dass sie selbst mit dem Tod des Kindes nichts zu tun hatte. Das war vielleicht sogar der Hauptgrund.«
    »Ich danke Gott jeden Tag, dass sie tot ist.«
    Julius nickte. Sophie war in den letzten beiden Wochen noch magerer geworden, fast durchscheinend. Unter ihren Augen lagen schwarze Ringe. Er wusste, dass sie jede einzelne Minute hasste, die sie in der Burg verbrachte. Aber sie hatte entschieden, dass sie noch nicht fortkonnte. Marsilius lag im Sterben, und jemand musste sich um ihn kümmern. Er hatte Respekt vor dieser Einstellung.
    Der kleinen Henriette waren die Augen zugefallen. Sophie zog ihr die Decke über die Fäustchen und die Schulter, steckte sie fest und drehte sich um. »Ich verstehe es immer noch nicht. Edith musste doch klar sein, dass Marsilius dahinsiechte und sterben würde. Dann hätte man sie sowieso verjagt.«
    Julius zuckte mit den Schultern. »Marsilius war ein aufbrausender Mann, und er hat Edith ja nicht nur geliebt, sondern auch gefürchtet und zeitweise sogar gehasst, wie ihr selbst gesehen habt. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses verdorbene Weib ihm in einer Anwallung von Zorn – vielleicht als er sie schlug – ein Gift zusammengemixt hat und dass sie deshalb glaubte, seine Geschwüre selbst hervorgerufen zu haben. Dann war sie natürlich davon überzeugt, ihn auf ähnliche Art heilen zu können. Diese Macht müsste ihr sogar gefallen haben.« Ihm erschien seine Erklärung vernünftig. Eine Frau hielt sich für eine Hexe und übte die entsprechenden Praktiken aus. Warum nicht?
    »Ihr sagt das so sonderbar, Julius. Dass sie glaubte, seine Geschwüre hervorgerufen zu haben. Warum soll sie das nicht tatsächlich getan haben? Und Ihr habt völlig recht: Dann hätte sie ihn auch heilen können.«
    Nun, dachte Julius, letztlich ist es gleich, ob Edith eine simple Mörderin war oder eine Hexe, die ihre Opfer durch satanische Rituale ums Leben brachte. Sie hatte ihren Tod verdient. Wenn er nur an die Kinderknochen dachte, die man in der Hexenhöhle im Wald gefunden hatte!
    Sophie ging zum Fenster und schaute ins Tal hinab, wo auf einer Wiese kreisrunde schwarze Flecken im Schnee von den Scheiterhütten kündeten, in denen Josepha und Eva verbrannt worden waren. Als man Werner von Reifferscheidt das Tor geöffnet hatte, hatte er es sich nicht nehmen lassen, gleich für den nächsten Tag einen Gerichtstermin anzusetzen – vermutlich um noch einmal mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass er der legitimierte Blutrichter des Wildenburger Landes war.
    Eva hatte um ihr Leben gebettelt, aber da sie bei einem Mordversuch ertappt worden war und auch kein Zweifel daran bestand, dass sie mit einer Hexe im Bunde gewesen war, hatte der Schuldspruch keine fünf Minuten gedauert. Auch Josepha war nicht zu retten gewesen. Sie murmelte sich mit einer irren Beschreibung ihrer Taten selbst auf den Scheiterhaufen, und niemand hatte auf Julius’ Einwände hören mögen.
    Dirk hatte gestanden, dass Marsilius Heinrich und den Müller ermordet hatte, und so war Marx von den Untaten, die man ihm vorwarf, freigesprochen worden. Er hatte selbst nicht viel davon mitbekommen, denn er lag mit hohem Fieber im Krankenbett. Aber das war vielleicht auch ein Glück gewesen. Mit seinem Talent, andere vor den Kopf zu stoßen, hätte er
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