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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog
Autoren: Brigitte Riebe
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Sie ging zum längsten Tisch, den Bibiana bereits mit der Bürste abgeschrubbt hatte wie auch alle anderen in der Gaststube, obwohl das eigentlich Lenas Aufgabe gewesen wäre, nahm einen Krug und füllte einen Becher mit Wein. »Aber heute sind so seltsame Dinge geschehen. Willst du auch?«
    Er nickte, ließ sich von ihr einschenken. Beide tranken.
    »Ich sorge mich um Lena«, sagte sie. »Nach dem frühen Tod Johannas hab ich immer nur eines gewollt: sie beschützen. Aber nun will sie am Hof arbeiten. Das Mädchen macht es mir wirklich alles andere als leicht.«
    »Mädchen? Lena ist doch keine ragazza mehr, sondern eine junge Frau! Und heißt Erwachsenwerden nicht auch immer Abschied nehmen?«, entgegnete Antonio. »In Venezia hätte deine Nichte bereits einen Mann und würde längst ihr eigenes Leben führen.«
    »Das ja – natürlich. Sie soll mit dem Richtigen glücklich werden, das wünsche ich mir so sehr für sie. Aber am Hof arbeiten? Ausgerechnet an diesem Ort, wo sich so schreckliche Dinge abspielen?«
    »Herzog Sigmund ist nun mal ein Fürst, der …«
    »… seine Finger von keinem Weiberrock lassen kann, ob er nun einer noblen Gräfin oder einem schmutzigen Gänsemädchen gehört. Das weiß ganz Tirol. Und dafür ist meine Lena mir viel zu schade.«
    »Meinst du nicht, sie ist alt genug, um selbst auf sich aufzupassen?«
    »Nicht bei solch einem Ungeheuer wie ihm. Hat er nicht schon mehr als genug Unglück über unsere Familie gebracht? Erst Lenas Vater Georg, der im Berg verschüttet wurde, und dann auch noch mein Laurin, weil Seine Hoheit sich so lange nicht entscheiden wollte, wer nun die neue Poststation bekommt, bis der Konkurrent Laurin im Rausch einfach abgestochen hat.« Ihre Augen funkelten zornig. »Wir haben doch hier alles, was sie braucht. Eines Tages wird Lena das Ganze sogar gehören: das Haus, die Gastwirtschaft, die Lizenz für die Poststation. Aber nein, sie muss zum Herzog rennen und sich dort als Küchenmagd andienen!«
    Er berührte ihren Arm, um sie zu beruhigen. Els aber machte sich los.
    »Ich will diese Wut spüren«, rief sie. »Denn sie macht mich stark, verstehst du? Lieber wütend sein, als hilflos in Tränen versinken. Das Mädchen wird nicht gehen. Dafür werde ich sorgen!«
    Ihr grimmiger Tonfall hatte Sebi aufgeweckt, der sich neben dem Feuer auf einer alten Decke zusammengerollt hatte. Er fuhr hoch, schaute sie mit weit aufgerissenen Augen an. Seiner Brust entrang sich ein Krächzen. Pippo, der schwarze Kater, dessen Nähe er seltsamerweise ertrug, streckte sich, machte einen hohen Buckel und sprang dann geschmeidig auf den nächsten Stuhl.
    Els war sofort bei ihrem Sohn.
    »Du musst keine Angst haben«, sagte sie. »Das ist kein Streit. Ich hab mich nur aufgeregt. Das ist alles.«
    Der Junge gab ein Grunzen von sich. Sie widerstand der Versuchung, ihn an sich zu reißen, zu streicheln und mit Küssen zu bedecken. Els wusste zu genau, was dann einträte. Sebi würde wegrennen, in irgendeines seiner Verstecke, sogar jetzt, mitten im Winter, und stundenlang in einer Erdhöhle oder einem Verschlag ausharren, bis er sich wieder beruhigt hatte. Niemand konnte sich vorstellen, was sie alles erleiden musste, bis sie endlich begriffen hatte, wie anders er war und dass sie nichts daran ändern konnte. Nicht einmal als er laufen lernte, hatte sie ihn berühren dürfen. Eine der schmerzhaftesten Lektionen, die das Leben ihr zugeteilt hatte. Manchmal hatte Els Angst, daran zu zerbrechen.
    »Ich wünschte nur, ich könnte ihn besser verstehen«, sagte Antonio, der den Jungen anstarrte.
    »Das wünsche ich mir auch. Aber er kann nun mal nicht heraus aus seiner Welt.«
    Sebi schien die beiden längst vergessen zu haben. Er hockte auf dem Boden und öffnete und schloss die kleine Holzkiste, die er immer mit sich herumschleppte. All seine Schätze waren darin, die er ständig weiter vervollständigte. Alles, was glänzte und glitzerte. »Kleine Elster«, neckte Lena ihn deswegen manchmal liebevoll.
    »Vielleicht, wenn er eine richtige Familie hätte«, sagte Antonio zögernd. »Einen Vater …«
    »Die hat er doch. Und sein Vater ist tot. Den kann nichts und niemand wieder lebendig machen«, sagte Els in scharfem Ton. »Ich glaube, es ist besser, wenn du heute in der Hofburg nächtigst. Mein schönstes Gastzimmer bekommt morgen für ein paar Tage einen neuen Bewohner.«
    »Und dein Bett, Elisabetta?«
    Sie spürte seinen Atem an ihrem Ohr, warme, weiche Lippen auf ihrer Haut. Sein Duft
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