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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Autoren: Eric Walz
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hätten Marocia nicht mit uns nehmen dürfen«, flüsterte Theophyl, Marocias Vater, der als
praetor urbanus
, als Oberster Richter, zu den erlauchtesten der weltlichen Gäste zählte. »Was immer in dieser Kirche geschieht, es ist für ein Mädchen nicht geeignet.«
    Theodora, seine Gemahlin, grinste spöttisch. »Gott wird ihr schon nichts tun.«
    Theophyl kraulte nachdenklich seinen grauen Bart. »Mir gefällt das alles nicht, Theodora. Dieser seltsame Befehl an die römischen Würdenträger, hierher zu kommen und die Frauen und Kinder mitzubringen – und so plötzlich! Niemand weiß, weshalb diese Synode einberufen wurde. Nicht ein Einziger.«
    Theodora ignorierte den Kommentar ihres Gemahls und konzentrierte sich darauf, den Blick des jungen Erzbischofs zu suchen, so lange, bis er ihn erwiderte. Sein leichtes, fast unmerkliches Kopfnicken beruhigte sie, und sie belohnte seine Geste mit einem genüsslichen Schmunzeln und einem langsamen Streicheln ihres von der Schwangerschaft leicht gewölbten Bauches.
    Das dumpfe Geräusch der zufallenden Kirchenpforte brachte Bewegung in die Menge. »Ageltrudis ist gekommen!«, flüsterte Theodora, und sobald Marocia diesen Namen hörte, reckte sie den Kopf. Tausend Male hatte ihre Mutter ihr Geschichten über Ageltrudis erzählt. Auch gestern wieder, vor dem Einschlafen. Die Herrscherin des Herzogtums Spoleto, das gleich neben dem Kirchenstaat lag, wurde von Theodora seit langem wegen ihrer Unerschrockenheit bewundert. Vorgestern hatte Ageltrudis – auf ausdrückliche Einladung des Papstes, wie es offiziell hieß– zusammen mit ihrem jungen Sohn Lambert die Stadt Rom mit einem Besuch überrascht und mehrere hundert Bewaffnete mitgebracht. Seither hatte man sie nicht mehr gesehen, vermutete aber, dass sie irgendwo im Lateran Quartier bezogen hatte. Der Papst und sie – war überall zu hören – planten etwas Spektakuläres.
    »Im Namen des Vaters und Sohnes und Heiligen Geistes«, hallte die Stimme Stephans VI. durch das Haus Gottes und unterbrach Marocias vergebliche Versuche, einen Blick auf die Heldin zu erhaschen. »Dies ist ein Tag des Gerichts. Und vor Gericht steht kein Geringerer als ein Heiliger Vater. Ich klage hiermit meinen Vorgänger Formosus an, und zwar der Missachtung und Entwürdigung seines Amtes als höchster Diener Christi auf Erden.« Stephan VI. ließ seine Worte wirken und beobachtete die Reaktionen.
    Ein deutlich vernehmbares Raunen ging durch die Menge. Theodora flüsterte zu ihrem Mann: »Ist er verrückt geworden? Formosus ist seit neun Monaten tot.«
    »Vielleicht will er böse Geister verjagen?«, orakelte Theophyl. »Man erzählt sich, dass der Papst schlecht träume, dass er nachts wie ein Verirrter durch die Gänge des Lateran laufe, weil er Formosus mit Gift umgebracht habe.«
    »Ich glaube«, erwiderte Theodora, »dass dabei noch etwas anderes im Spiel ist, etwas Politisches. Ich verstehe nur nicht, wie er einen Toten . . .«
    Sie wurde durch ein Klatschen Stephans VI. unterbrochen, auf welches hin sich die schwere Kirchenpforte öffnete. Eine von vier Mönchen getragene Sänfte erschien am Eingang, und auf ihr saß– ein verwester Leichnam.
    Marocia schrie auf und verbarg ihr Gesicht im Gewand der Mutter.
    Stephan VI. hatte befohlen, den Leichnam des Formosus aus seinem Sarkophag zu holen. Von dem ehemaligen Papst war kaum etwas zu erkennen; nichts war von ihm geblieben als Knochen, dicke Knorpel an den Ellenbogen und Knien sowie seine ergrauten Haare, die ihm in zotteligen Büscheln auf die blanken Schulterknochen fielen. Manche sackten auf die Knie und bekreuzigten sich, als der Leichnam an ihnen vorüberzog, einige Frauen fielen in Ohnmacht. Theodora aber fasste sich schnell und zog den Schopf ihrer Tochter aus dem Gewand. »Stell dich nicht so an. Du wolltest die Welt sehen, also sieh hin.« Als Marocia sich sträubte, hielt Theodora sie an den Haaren fest, so dass sie hinsehen
musste
.
    Die Sänfte wurde vor dem Altar abgestellt. Stephan VI. entledigte sich seines päpstlichen Umhangs und der Tiara und kleidete das Skelett damit ein. Auf sein Zeichen hin kam ein blasser, kaum mündiger Diakon des Benediktinerordens herbei und stellte sich hinter dem thronenden Toten auf. Er sollte wohl im Namen des Formosus als Verteidiger agieren und antworten. Marocia, die noch immer von ihrer Mutter festgehalten wurde, zitterte beim Anblick des Schädels und der unter dem Umhang hervorstehenden Fußknochen.
    »Formosus, Bischof und Metropolit
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